Neulich habe ich eine Dokumentation über Auszubildende gesehen. Da diese vor allem in einigen Berufen mittlerweile sehr schwer zu finden sind, weil sich immer mehr junge Menschen für ein Studium interessieren und sich die vorhandenen Auszubildenden auf nur wenige Berufsfelder verteilen, werden Unternehmen (gezwungenermaßen) immer kreativer um für das Berufsfeld zu werben und selbst als attraktiver Arbeitgeber gesehen zu werden. Die Praxisbeispiele reichen von einem Azubitaxi, welches die Auszubildenden im ländlichen Raum abholt, damit diese erstens gut zum Unternehmen kommen, weil diese Auszubildende oftmals weder Führerschein noch Auto haben und die hohen Benzinpreise kaum bezahlen können und die öffentlichen Verkehrsmittel oftmals – wenn überhaupt vorhanden – sehr lange benötigen. Andere Unternehmen bezahlen höhere Gehälter, bieten ein Jobrad an oder aber übernehmen die Kosten für ein Jobticket, wenn eine gute Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln besteht. Teilweise erhalten Auszubildende auch bereits ein kleines Auto auf Leihbasis um damit zum Unternehmen zu kommen. Soweit ist dies im Wettbewerb um Auszubildende alles nachvollziehbar. Jedoch gab es auch ein Beispiel, das mir länger im Kopf geblieben ist.
Ein Unternehmen lädt die Auszubildenden mindestens einmal während der Ausbildungszeit in die teuerste Suite in einem Luxushotel ein, zusammen mit einem weiteren Gast nach Wahl. Im ersten Moment dachte ich mir, dass das sicherlich eine tolle Erfahrung für junge Menschen ist, die aber von deren Realität doch sehr weit entfernt ist. Nach der ausführlichen Dokumentation des Tages des Auszubildenden und seiner Begleitung mit teuren Getränken, einem Menü mit mehreren Gängen, die Nutzung des Wellnessbereiches und den angebotenen Diensten eines eigenen Concierge, folgte die Auflösung. Es sind die eigenen Auszubildenden des Hotels, die am Anfang ihrer Ausbildung selbst zu Gast im eigenen Ausbildungsbetrieb sind. Neben der unvergesslichen Erfahrung der Auszubildenden das Leben eines Gastes in einem Luxushotel zu genießen und diesen Tag auch nicht zu vergessen, ist es nicht nur ein Anreiz des Unternehmens mit einem besonderen Bonbon potentielle Auszubildende anzusprechen, auch wenn dies bei diesem Unternehmen kein Hauptgrund ist.
Hauptziel hinter diesem Ansatz ist ein anderer. Die Auszubildenden sollen selbst erfahren, wie es sich als Gast in einem Luxushotel beziehungsweise im eigenen Betrieb anfühlt. Sie lernen die Qualitätsansprüche kennen und erkennen, wie Gäste behandelt werden. Auch wenn sie natürlich an diesem Tag nicht alle Notwendigkeiten und Tätigkeiten im Hintergrund mitbekommen, so erkennen sie sehr gut das Endprodukt, welches bei den Gästen ankommt. Sie lernen gleich zu Beginn ihrer Ausbildung, die Kundenseite kennen und verinnerlichen diese deutlich intensiver als es eine Beschreibung oder ein stetiges Wiederholen der Ausbilder erreichen könnte. Die Auszubildenden bekommen einen Einblick welche Umgangsformen und welche Qualität auch später von ihnen als Mitarbeitenden im Unternehmen verlangt werden; sie lernen die Standards und das Endprodukt direkt an sich selbst aus der Perspektive der eigenen Kunden kennen.
Mir ist dieses Beispiel nicht nur deshalb in Erinnerung geblieben, weil es im ersten Moment so überspitzt dargestellt worden ist und es natürlich eine kreative Lösung ist, sondern auch deshalb, weil es für viele andere Unternehmen als Vorbild dienen kann. Ehrlicherweise muss man allerdings sagen, dass Unternehmen aus anderen Branchen vermutlich nicht den Effekt im gleichen Ausmaß und Deutlichkeit erzielen können. Dennoch: das Luxushotel macht in der Praxis vor, was sich viele Unternehmen, vor allem aus dem Dienstleistungsbereich auf die Fahnen schreiben: Kundenfokussierung und Kundenorientierung beziehungsweise das klassische „der Kunde ist König“. Durch diesen Ansatz und die Fokussierung auf das Endprodukt und durch die selbst erfahrene Qualität werden sie auch bei den Prozessen, Herausforderungen und Notwendigkeiten im Hintergrund eine deutlich stärkere Verbindung und einen Zusammenhang erkennen.
Möglichkeiten diesen Ansatz auch bei anderen und möglicherweise auch in Ihrem Unternehmen anzuwenden gibt es bestimmt. Welche Möglichkeiten fallen Ihnen ein?