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26. Juli 2018 | von Prof. Dr. Ulrich Wicher

Betriebliche Gesundheitsförderung aus ganzheitlicher Sicht

Die Begriffe Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) und Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) werden oft synonym verwandt. Das ist natürlich falsch. Der Begriff BGM ist weiter gefasst und umfasst alle Aktivitäten zur Verbesserung von Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit, von Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung und Maßnahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements. Alle diese Teildisziplinen werden zu einem BGM- Gesamtkonzept zusammengefasst und auf die Bedürfnisse eines Unternehmens individuell abgestellt.

Damit ist schon deutlich, dass die BGF ein Aspekt des BGM ist; allerdings ein sehr wichtiger. Durch eine durchdachte BGF soll die Mitarbeitergesundheit aktiv gefördert werden. Dementsprechend sind die Maßnahmen wie zum Beispiel Rückenschule, Bewegungstrainings, Ernährungstipps, Entspannungsübungen und Workshops zu den Themen Burnout und Suchtprävention. Bei vielen Unternehmen ist es oft auch nur der Zuschuss zum Fitnessstudio und die Salatbar in der Kantine.

All die genannten Beispiele sind positiv zu bewerten, zeigen Sie doch auf, dass in dem betreffenden Unternehmen das Thema Gesundheit zumindest eine Rolle spielt. Vielleicht nur eine sehr kleine. Und manchmal auch eine falsche. Warum, das soll im Folgenden deutlich gemacht werden.

Typisch für die meisten gesundheitsfördernden Maßnahmen ist die Tatsache, dass sie konkret am Mitarbeiter ansetzen. Der Gesundheitszustand des Mitarbeiters soll positiv beeinflusst werden, indem man durch spezielle Maßnahmen an seinem Verhalten ansetzt (zum Beispiel Bewegungstraining bei Übergewicht). Aus wissenschaftlicher Sicht spricht man von Verhaltensprävention.

Dem gegenüber steht die sogenannte Verhältnisprävention. Diese zielt darauf ab, die aus der Arbeitswelt resultierenden Gesundheitsrisiken (Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe, Arbeitszeit) zu verringern oder im Idealfall sogar zu beseitigen. Und hier liegt das Problem. Eine Verhältnisprävention findet häufig nur zögerlich statt, um gesetzlichen Auflagen zu genügen. Letztlich kann aber die Umsetzung von Präventionsmaßnahmen nur gelingen, wenn sie vor dem Hintergrund des organisationalen Rahmens gesehen wird, der in vielen Fällen die Ursache für bestimmte Krankheiten ist. Kritisch könnte man bemerken, dass das Thema Gesundheit an die Selbstverantwortung des Mitarbeiters delegiert wird. Denn das ist leichter und kurzfristig (!) billiger, als betriebliche Strukturen zu verändern.

Intelligente Unternehmen werden erkennen, dass „gesunde Mitarbeiter“ und ein „gesundes Unternehmen“ zusammen gehören. Und das gilt auch für die betriebliche Gesundheitsförderung. Wie das gelingen kann, soll an dem folgenden kleinen Beispiel exemplarisch verdeutlicht werden. Zum Beispiel führt bei einem Mitarbeiter vermehrter Stress am Arbeitsplatz zu Bluthochdruck. Nun kann die Betriebliche Gesundheitsförderung insoweit ansetzen, dass der Mitarbeiter unterstützende Maßnahmen erhält wie einen Kurs zum Thema Stressbewältigung oder ein Workshop zum gesunden Essverhalten und zur Raucherentwöhnung. Alles sinnvolle Maßnahmen, die aber zu kurz greifen. Aus professioneller Sicht müsste als nächstes die Abteilungs- oder Teamebene betrachtet und analysiert werden. Hier wird vielleicht festgestellt, dass ein schlechtes Klima herrscht durch gestörte Kommunikation untereinander. Und ein weiterer Blick auf die Organisationsebene zeigt, dass vom überforderten Mitarbeiter verlangt wird, dass er flexibel (multitaskig-fähig) sein soll, weil das zum Geschäftsmodell des Unternehmens gehört.

Damit wird deutlich, dass bei der Umsetzung von betrieblichen Gesundheitsförderungsmaßnahmen drei Ebenen betrachtet werden sollten: die persönliche Ebene des Mitarbeiters, die Team-/Abteilungsebene und die Organisationsebene. Für das genannte Beispiel würde das bedeuten: auf der persönlichen Ebene wird ein Stressbewältigungstraining für den Mitarbeiter angeboten. Auf der Team-/Abteilungsebene wird ein Konflikttraining angeboten und auf der Organisationsebene wird überlegt, wie man die Arbeitsprozesse neu gestalten kann.

Das Beispiel zeigt, dass im optimalen Fall die betriebliche Gesundheitsförderung sowohl die betriebliche als auch die persönliche Verantwortung stärkt.

Lit. Schneider, C., Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz, Bern 2012

Prof. Dr. Ulrich Wicher

 

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Prof. Dr. Ulrich Wicher
Nach Abitur und Ausbildung zum Industriekaufmann Studium der Betriebs­wirt­schafts­­lehre mit Abschluss Diplomkaufmann. Außerdem Auslandsstudium mit Abschluss in Frankreich und Polen und Promotion in Wirtschaftswissenschaften. Danach Tätigkeiten mit Führungsverantwortung in der Pharmaindustrie und in der Unternehmensberatung. Bis 2014 Professor für Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe (OWL) in Lippe/Höxter. Ab 2014 Professor für Nachhaltige Unternehmensführung und Neuromarketing an der Hochschule Frese­nius in Berlin. Aktuelle Veröffentlichung: „Managementkompetenzen", Kiehl Verlag 2015
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