Die Ausgestaltung der Eurozone steht ebenso wie die Geldpolitik der EZB seit langem in der Kritik. Eigentlich hatte nach der Finanzkrise vieles besser werden sollen: Man wollte das Finanzsystem stabiler und die nationalen Wirtschaftspolitiken nachhaltiger machen und so die EZB von ihrer Pflicht befreien, ständig als Krisenbekämpfer bereitstehen zu müssen.
Die Corona-Krise zeigt: Die Politiker und Politikerinnen in Brüssel und in den Hauptstädten der Mitgliedstaaten haben ihre Hausaufgaben nur teilweise erledigt. Zwar sind einige Fortschritte in Richtung einer Banken-Union und damit eines stabileren Finanzsystems zu verzeichnen. Von einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik aber konnte und kann keine Rede sein. Viele Regierungen scheuten sich, ihre Arbeits- und Gütermärkte zu deregulieren und zu entbürokratisieren. Gleichzeitig haben sie den langen Aufschwung und die niedrigen Zinsen nur ansatzweise für eine Konsolidierung ihrer Haushalte genutzt. Im Gegenteil: in einigen Ländern ist der Schuldenstand trotz der historisch günstigen Rahmenbedingungen sogar noch weiter angestiegen (Vgl. Meyer et al 2019).
Mit Italien hat das Corona-Virus nun das Land am härtesten getroffen, dessen politische Weichenstellungen seit Jahren kritisiert werden. Die öffentlichen Defizite sind hoch, die Wachstumsraten niedrig. Damit die Corona-Krise daraus keine langwierige Depression macht, muss die italienische Regierung gegensteuern. Dazu fehlen ihr aber die Mittel, weshalb die Italiener so laut nach sog. „Corona-Bonds“ rufen, also Anleihen, für die alle Mitgliedstaaten gemeinsam haften (Vgl. SVR 2020, S. 88ff.). Die EU hat dem Land stattdessen ein Hilfspaket angeboten, dessen größten Teil – 39 Milliarden Euro aus dem Rettungsschirm ESM (European Stability Mechanism) – das Parlament in Rom jüngst brüsk zurückgewiesen hat. Man will sich nicht in Abhängigkeit begeben (Vgl. Matthes 2020).
Damit steht in der Eurozone alles auf Anfang: Die politischen Verhältnisse sind verworren, die Einsichtsfähigkeit mancher Politiker in den nationalen Hauptstädten ist begrenzt. Handlungsfähig ist einmal mehr nur die EZB, die Finanzmärkte und Staatsbudgets mit massiven Interventionen an den Anleihemärkten zu stabilisieren versucht (Vgl. ECB 2020). Das hilft allenfalls kurzfristig und macht eine wirkliche Lösung der strukturellen Probleme nur noch unwahrscheinlicher. Insbesondere Unternehmen, die in Italien aktiv sind, müssen sich auch nach dem Ende der Corona-Krise auf eine längere Phase der Unsicherheit einstellen.
Prof. Dr. Stefan Schäfer
Quellen:
ECB (2020): ECB announces €750 billion Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP), ECB Press Release, 18 March 2020, online:
https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2020/html/ecb.pr200318_1~3949d6f266.en.html.
Matthes (2020): Die italienischen Populisten sollten sich eines Besseren besinnen, IW-Nachricht, 15. April 2020, online:
https://www.iwkoeln.de/presse/iw-nachrichten/beitrag/juergen-matthes-die-italienischen-populisten-sollten-sich-eines-besseren-besinnen.html.
Meyer et al. (2019): Sorge um Europa: Schuldenkrise und (drohendes) Defizitverfahren gegen Italien – wie geht es weiter?, ifo Schnelldienst, Vol. 72(1), S. 3-22.
SVR (2020): Die gesamtwirtschaftliche Lage angesichts der Corona-Pandemie, Sondergutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, online:
https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/sondergutachten-2020.html?returnUrl=%2F&cHash=4c131d4abb9c2cb8e7e2e4521d551aec