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20. April 2017 | von Christoph Weiß

Droht den Musikverlagen das Aus?

Die Digitalisierung schlägt immer stärker in allen Lebensbereichen durch. Hiervon ist das Urheberecht besonders betroffen. Die Digitalisierung hat die Vervielfältigungsmöglichkeiten nochmals erheblich vereinfacht. Hierbei kann die Digitalisierung durchaus mit der Erfindung des Buchdrucks verglichen werden. Ein Werk kann oft durch einen Mouseclick kopiert werden. Das rechtliche „Dürfen“ steht allerdings auf einer anderen Seite.
Die Frage des rechtlichen Dürfens wurde auch vor dem Berliner Kammergericht verhandelt, AZ: 24 U 96/14. In dem Verfahren ging es um die Frage, ob die GEMA einen pauschalen Anteil der Nutzungsrechtsvergütungen an die Musikverlage abführen durfte oder ob auch dieser Anteil den Urhebern zustände. Diese Frage beantwortete der 24. Senat des Kammergerichts mit einem eindeutigen „nein“ und ließ sogleich durch die Presseabteilung unzweideutig ausführen:
„Der 24. Senat des Kammergerichts hat in seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Ausschüttung für Nutzungen von Urheberrechten übertragen und fortgeführt. Danach dürfe die GEMA Gelder nur an diejenigen Berechtigten ausschütten, die ihre Rechte wirksam übertragen hätten. Hätten die Urheber ihre Rechte zuerst aufgrund vertraglicher Vereinbarungen auf die GEMA übertragen, so könnten die Verleger keine Ansprüche aus den Urheberrechten der Künstler ableiten.“
Viele Branchenvertreter sahen gerade die kleineren und mittleren Verlage in ihrer Existenz bedroht. Sogleich forderten die Verbände den Gesetzgeber auf, tätig zu werden, was dieser auch tat. Eilig wurde das gerade erst am 01.06.2016 in Kraft getretene Verwertungsgesellschaftengesetz geändert. Bereits am 20.12.2016 trat die Änderung in Kraft. Im § 27 Abs. 2 n.F. VGG heißt es nun, dass es nicht mehr darauf ankomme, ob ein Verleger oder Urheber die GEMA beauftrage. Allerdings muss der Verleger das Einverständnis des Musikers einholen, wenn er die Auszahlung des Verlagsanteils wünscht, § 27 a n.F. VGG. Um diesen Prozess zu unterstützen wurde seitens der GEMA ein elektronisches Meldeverfahren eingeführt. Laut GEMA können die Verlagsanteile bereits wieder ausgezahlt werden.
Also viel Aufregung um nichts? Nicht ganz. Für die Verlage schlummern in vergangenen Jahren noch erhebliche Risiken. Der Verlagsanteil gilt nur als rechtmäßig bezogen, wenn die Genehmigung des Urhebers erteilt wurde. Soweit der Verlag das kommerzielle Standbein des Urhebers ist, können die Verlage wirtschaftlich erheblich Druck ausüben und notfalls hierdurch die Genehmigung faktisch erzwingen. Doch auch in den Vorjahren hat die Digitalisierung erhebliche Spuren bei manch einem Musikverlag hinterlassen. Oft dürfte das Verlagsgeschäft für eine wirtschaftliche Abhängigkeit nicht mehr genug Volumen bieten. Es erscheint also nicht ausgeschlossen, dass einige Urheber die Ausschüttung der Verlagsanteile nicht genehmigen werden.
Bevor eine Genehmigung verweigert wird, sollte der Urheber emotionslos die Zahlen für sich sprechen lassen. Er sollte bei der GEMA in Erfahrung bringen, wie hoch die in den vergangenen Jahren ausgeschütteten Verlagsanteile waren, weil er diesen Anteil grundsätzlich für sich beanspruchen könnte. Anschließend sollte er den Umsatzverlust durch ein mögliches Ende der Zusammenarbeit mit dem Verlag den Verlagsanteilen gegenüberstellen. Nicht übersehen werden darf, dass der Verlag wegen diverser Rückforderungen finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen könnte. In diesem Fall wäre der Anspruch mitunter wirtschaftlich wertlos.
Die Verlage sollten zügig die Genehmigungen der Urheber für die Ausschüttung des Verlagsanteils einholen und diese der GEMA elektronisch melden. Dies gilt auch für die Vergangenheit. Für die Vergangenheit bietet es sich unter Umständen an, die Dinge auf sich beruhen zu lassen und auf den Eintritt der Verjährung zu hoffen. Letzte Strategie kommt dann in Betracht, wenn das Verhältnis zu den Urhebern grundsätzlich angespannt ist und die Genehmigung der Verlagsanteile als nicht sicher gilt. In diesen Fällen kann ein Rundschreiben auch schlafende Hunde wecken.

 

Christoph Weiß
Christoph Weiß arbeitet als freiberuflicher Rechtsanwalt in Kiel und hat sich auf das Steuerrecht kreativer Berufe spezialisiert. Er studierte zunächst in Greifswald, St. Petersburg und Kiel Rechtswissenschaften. Während seines Referendariats wurde er unter anderem für die Investitionsbank Schleswig-Holstein, die Muthesius Kunsthochschule und die auf Kunst und Kultur spezialisierte Kanzlei Andri Jürgensen Rechtsanwälte tätig, für die er als Rechtsanwalt nach seinem Referendariat arbeitete, bevor er seine eigene Kanzlei gründete. Darüber hinaus war er als Kurator an über 100 Ausstellungen beteiligt und ist Lehrbeauftragter an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel.
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