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17. September 2020 | von Prof. Dr. Monika Huesmann

E-Recruiting  – Corona beschleunigt die Implementierung

Die zentrale Folge der Coronakrise für das Recruiting in Organisationen war die Notwendigkeit, Prozesse arbeitsort- und arbeistszeitunabhängig gestalten zu müssen. Dies setzt die Digitalisierung aller Daten und Prozesse voraus. Nur dann ist es möglich mit verschiedenen Akteuren und Akteurinnen, die auf die Daten zugreifen können, unabhängig vom Arbeitsort virtuell zusammenzuarbeiten und über den Zugriff auf die gleichen Daten (mit unterschiedlichen Zugriffsrechten), zu unterschiedlichen Zeiten zu arbeiten. Den Stand des eigenen E-Recruiting haben Organisationen in dieser Krise unmittelbar festgestellt. Je weiter die Digitalisierung fortgeschritten ist, desto einfacher ist es, unabhängig von Ort und Zeit arbeiten zu können.

In dieser Krise zeigte sich auch, dass E-Recruiting mehr ist als Personalmarketing über soziale Medien oder die Möglichkeit Bewerbungsunterlagen digital einreichen zu können. E-Recruiting umfasst die Digitalisierung aller Daten und Prozesse im Handlungsfeld der Personalauswahl, von der Erfassung der Bewerbendendaten, der Stellenpläne und Anforderungsprofile, das Online-Recruiting, die Aufbereitung für alle Akteure (z.B. Fachvorgesetzte, Betriebsräte oder Auswahlkommissionen), die systematische Erfassung aller Ergebnisse der Auswahlinstrumente, der Abgleich von individuellen Kompetenzen mit den Anforderungen der Stelle, der Kommunikation mit den Bewerbenden bis hin zur Übernahme der Daten der neuen Mitarbeitenden in das Personalinformationssystem. Je umfassender die Digitalisierung implementiert ist, desto eher können Prozesse optimiert werden (z.B. schnelle Informationen für die Bewerbende, Kürzung der Bearbeitungszeiten durch paralleles Arbeiten von Fachvorgesetzten und Betriebsräten bei der Bewerbendenvorauswahl).

Dazu kommt, dass eine Vielzahl von digitalen Auswahlinstrumenten entwickelt wurden, die eingebunden werden können. Angefangen bei Selbsttests für interessierte Personen, die anhand ihrer Ergebnisse fundierter entscheiden können, ob sie sich bewerben wollen, über zeitsynchrone oder zeitasynchrone Videointerviews bis hin zur Analyse von biografischen Fragebögen mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI). Welche Auswahlinstrumente für welche Organisation hilfreich sind, muss wie bisher auch, im Einzelfall entschieden werden. KI kann Diskriminierung verschärfen (ein Beispiel von Amazon: https://www.reuters.com/article/us-amazon-com-jobs-automation-insight/amazon-scraps-secret-ai-recruiting-tool-that-showed-bias-against-women-idUSKCN1MK08G), KI kann aber auch dem Informationsbedürfnis von Bewerbenden über Chatbots entgegen kommen.

Die Coronakrise hat vielen Organisationen gezeigt, dass Digitalisierung die Basis zur Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort ist. In der Personalauswahl können auf dieser Basis auch Prozesse beschleunigt und flexibilisiert werden und Kommunikation und Kontakt mit Bewerbenden kann optimiert und gegebenenfalls virtualisiert werden. Aber wie immer: schlechte Prozesse werden über Digitalisierung nicht besser und wenn sowohl Prozesse neu durchdacht und aufgesetzt werden müssen und gleichzeitig digitalisiert werden, dann ist das eine sehr komplexe und zeitintensive Aufgabe. Die Coronakrise hat aber gezeigt: diese Aufgabe ist weder aufschiebbar noch vermeidbar.

Prof. Dr. Monika Huesmann ist Autorin mehrerer Studienbriefe der Deutschen Akademie für Management

Deutsche Akademie für Management_Mitarbeitende
Prof. Dr. Monika Huesmann
Prof. Dr. Monika Huesmann ist seit 2011 Professorin für Organisation, Personal- und Informationsmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (Berlin School of Econmics and Law). Als Qualifikation hat sie vor dem Studium der BWL und dem Abschluss als Bilanzbuchhalterin Ausbildungen zur Heilpädagogin und zur Erzieherin absolviert und in allen Berufen auch in Führungspositionen mehrere Jahre gearbeitet. Direkt vor der Professur war sie als Personalreferentin, Projektleitung und Führungskraft in verschiedenen Organisationen tätig. Weiterhin ist sie seit vielen Jahren auch als Personal- und Organisationsberaterin in verschiedenen Organisationen unterwegs. Neben Forschungen und Veröffentlichungen zu Personalauswahl und E-Recruitment (z.B. Nadelöhr Fachkräftemangel, in: Bröckermann, Reiner/ Pepels, Werner (Hg.): Das neue Personalmarketing -- Employee Relationship Management als moderner Erfolgstreiber, Band 5 Handbuch ERM Fallstudien BWV: Berlin, 2014, S. 51-73) beschäftigt Sie sich mit organisationalen Aspekten wie flexible Arbeitsmodelle (z.B. Bessing, Nina / Gärtner, Marc / Huesmann, Monika / Köhnen, Manfred / Schiederig, Katharina / Schlez, Jana Katharina / Spee, Maja (2016): Flexibles Arbeiten in Führung. Ein Leitfaden für die Praxis und Aspekten von Diversity Management (Transgressing Gender Binarism in the Workplace? Including Transgender and Intersexuality Perspectives in Organizational Restroom Policies, in: Köllen, Thomas (Hg.): Sexual Orientation and Transgender Issues in Organizations, Springer 2016, S. 539-552). In Zusammenarbeit mit britischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat Sie ein Kapitel über Mitbestimmung im internationalen Vergleich geschrieben (Calveley, Moira/ Allsop, David/ Rocha Lawton, Natalia/ Huesmann, Monika (2017): Kapitel 8, Managing the employment relationship, in: Rees, Gary/ Smith, Paul (Hg.): Strategic Human Resource Management, an international perspective, Sage, S. 281-323).
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