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5. März 2015

Entspannung statt Flow-Erleben?

Tiefe Erfüllung in der beruflichen Tätigkeit zu finden, ist wahrlich kein Normalfall, den jeder Arbeitnehmer zu erleben das Glück hat. Eher klagen heute viele über Sinnleere, Überlastung und Zukunftsunsicherheit. Gleichwohl bleibt das Streben nach positiven Emotionen am Arbeitsplatz ein Dauerbrenner – und mit ihm das Konzept des Fluss-Erlebens (engl. Flow). Der „Flow-Zustand“ bezeichnet das Verschmelzen von Handeln und Bewusstsein: Das Individuum ist derart in seine aktuelle Tätigkeit versenkt, dass es letztlich in einen Zustand der Selbst- und Zeitvergessenheit gerät. Dies bringt häufig Gefühle von Hochstimmung und Erfüllung mit sich. Das Flow-Erleben kann angeblich sogar zum „Geheimnis des Glücks“ werden (vgl. Csikszentmihalyi 2008, S. 103 ff.).
Untersuchungen belegen überdies den engen Zusammenhang zwischen Fluss-Erleben und Gesundheit. Experimente, in denen die Teilnehmer angewiesen wurden, bewusst auf Flow-Effekte zu verzichten, mussten oft bereits nach zwei Tagen abgebrochen werden: Die Versuchspersonen zeigten schon nach kurzer Zeit Symptome wie Konzentrati-onsstörungen und Kopfschmerz. Bereits 48 Stunden ohne Flow versetzten einige in einen quasi-depressiven Zustand (vgl. Pink 2010, S. 158). Regelmäßige Flow-Erfahrungen sind für den Menschen offenbar unverzichtbar.

Wichtig ist stets die Balance von situativer Anforderung und persönlichem Können, also anspruchsvolle Tätigkeiten, denen man sich aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten gewachsen zeigt (zum sog. Flow-Korridor Csikszentmihalyi 2008, S. 107). Dennoch es sollte kein naives Bild vom Flow entstehen. Auffallend ist die Tatsache, dass Selbstständige, Computerspieler oder auch Popstars Arbeit oft nicht mehr von Freizeit unterscheiden können. Dies zeigt bereits die Gefahr, die diesem an sich positiven Zustand innewohnt. Menschen, für die jedes Zeit- und Belastungsempfinden in ihrer Tätigkeit verlorengeht, unterliegen einer besonders hohen Gefährdungsstufe – sie brennen oft schleichend, aber unbemerkt aus (vgl. von der Oelsnitz 2014).
Gerade diejenigen, die aus ihrer Arbeit ein besonderes Maß an Befriedigung ziehen, neigen zu auszehrenden Rauschzuständen und finden häufig keine gesunde Balance zwischen Anstrengung und Entspannung mehr. Da der Weg von der Langeweile zurück zum Flow u.a. darin besteht, seine Anstrengungen zu erhöhen (um nicht mehr chronisch unterfordert zu sein), sind auch zusätzliche Motivations- und Qualifikationstrainings in einem ambivalenten Licht zu sehen. Möglicherweise gelangt man durch diese Trainings zu einer noch wirksameren Selbstausbeutung. Diese Spannung als Vorgesetzter auszubalancieren – motivierende Zielsetzung auf der einen und bremsende Fürsorge auf der anderen Seite – stellt eine essentielle Führungsleistung dar.

Prof. Dr. Dietrich von der Oelsnitz ist Autor des Studienbriefs 1340 Personalführung

Csikszentmihalyi, M. (2008): Flow. Das Geheimnis des Glücks, 14. Aufl., Stuttgart.
Oelsnitz, D. von der (2014): Die frustrierende Organisation: Ungeschicktes Job Design und forcierte Entfremdung, in: von der Oelsnitz, D./Schirmer, F./Wüstner, K. (Hrsg.): Die auszehrende Organisation, Wiesbaden, S. 89-112.
Pink, D. (2010): Drive. Was Sie wirklich motiviert, Salzburg.

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