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11. Januar 2018

Fehlzeiten als Indikator? Erfolgsmessung im Betrieblichen Gesundheitsmanagement

Der Begriff Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) und vor allem der Begriff Management signalisiert, dass sich auch das Thema Gesundheit im Betrieb an ökonomischen Kriterien messen lassen muss. Und in diesem Zusammenhang spielen immer sehr schnell Begriffe wie Kosten, Produktivität und letztlich Gewinn eine wichtige – in der Regel die – entscheidende Rolle. Oft sind genau diese „harten Kriterien“ entscheidend, ein BGM überhaupt einzuführen. Das Erreichen ökonomischer Ziele bei gleichzeitigem Motivationsschub für die Mitarbeiter und einem Imagegewinn für das Unternehmen ist eine Win-Win-Situation, die den Unternehmen zunehmend plausibel und attraktiv erscheint.
Ein ganz herausragendes Unternehmensziel ist die Senkung von krankheitsbedingten Fehlzeiten. In nahezu allen Untersuchungen zu den Motiven, warum Unternehmen ein BGM einführen, wird dieses Ziel vorrangig genannt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das gut nachzuvollziehen. Mit den Fehlzeiten sind eine Vielzahl von Kosten verbunden wie Lohnkosten (denen keine Leistung gegenübersteht), Kosten für zusätzliches Personal, Produktivitätsverluste, organisatorische Probleme durch gestörte Abläufe und damit unzufriedene Kollegen und Kunden und weitere Schwierigkeiten. Nach einer DAK Statistik fehlte der/die Deutsche durchschnittlich 12.3 Tage in 2016. Hier handelt es sich um Durchschnittswerte. Die Krankheitsdauer bei psychischen Erkrankungen liegt bei durchschnittlich 35 Tagen.

Solche Zahlen können nicht ignoriert werden. Aus betrieblicher Sicht ist es aber wichtig, die Zahlen richtig zu interpretieren. Den Erfolg eines BGM einfach daran zu messen, ob die Fehlzeiten reduziert werden konnten, ist zu einfach und kann zu Fehlschlüssen führen. Geringere Fehlzeiten bedeuten nicht in jedem Fall eine gestiegene Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz und damit eine höhere Produktivität für das Unternehmen! Und sie dürfen auch nicht der Gradmesser für den Erfolg eines BGM sein!
Dazu ist der Begriff Fehlzeiten zu komplex. Aus Sicht der Wissenschaft werden ca. 200 Faktoren genannt, die die Fehlzeiten beeinflussen können. Die krankheitsbedingte Abwesenheit ist einer dieser Faktoren, allerdings ein sehr wichtiger. Den Gesundheitszustand einer Belegschaft aber allein an den Arbeitsunfähigkeitsmeldungen festzumachen greift zu kurz. So spricht man auch von einer „verdeckten Arbeitsunfähigkeit“. Damit ist gemeint, dass durch Mitarbeitende, die krank zu Arbeit kommen, natürlich die Fehlzeitenquote positiv beeinflusst wird. Dass ein solches Verhalten – Präsentismus genannt –  kontraproduktiv ist, erklärt sich von selbst.
Gibt es nun eine Lösung für das geschilderte Problem? In jedem Fall gilt, dass die Fehlzeitenquote eine wichtige Kennzahl mit großer Aussagekraft ist. Um die Aussagen aber richtig zu interpretieren, gilt es auch, die Fehlzeiten kritisch zu hinterfragen. Das gelingt umso besser, je breiter die Datenbasis ist, die zur Verfügung steht. So sollte die Fehlzeitenquote präzisiert werden nach folgenden Kriterien:  Fehlzeiten mit/ohne Attest, in welchen Abteilungen, eventuell nach Berufsgruppen und Alter, ob es Freistellungen sind oder Betriebsunfälle. Auch Sondereffekte wie Grippe sollten ebenso berücksichtigt werden wie Vergleiche zum Vorquartal, Vormonat und Vorjahr. Ganz wichtig ist aber auch das Hinterfragen der Fehlzeiten in Zusammenhang mit „weichen Faktoren“ wie der Unternehmenskultur und dem Führungsverhalten. Fehlzeiten sind in der Regel die Spitze des Eisbergs!

Prof. Dr. Ulrich Wicher ist Autor des Studienbriefes 2185 Grundlagen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements

Literatur: Brandenburg, U.; Nieder, P., Betriebliches Fehlzeitenmanagement, Wiesbaden 2009

 

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