In den letzten Podcasts haben Sie viele verschiedenen agile Tools kennengelernt, die Ihnen helfen, Ihr Team in Richtung Agilität weiterzuentwickeln. Zum Ende dieser Podcast-Reihe möchte ich nicht versäumen, auch darauf hinzuweisen, dass Agilität kein Allheilmittel ist. Lassen Sie uns deshalb heute einen Blick auf die Grenzen von Agilität werfen.
- Agile Methoden eigenen sich vor allem für „komplexe“ oder „chaotische“ Projekte und Aufgaben; also für Situationen, in denen die Anforderungen an das Ergebnis sowie der Weg dorthin relativ unklar sind. Sollten Ihre Projekte hingegen nur „einfach“ oder „kompliziert“ sein, dann kommen Sie in der Regel mit Standardprozessen und Lean-Ansätzen weiter als mit Agilität.
- Wir reden oft davon, dass Agilität nicht mit der Einführung von ein paar neuen Methoden erreicht wird, sondern dass damit eine Veränderung der Unternehmenskultur und des Mindsets von Führungskräften und Mitarbeitenden einhergehen muss. Aber nicht jeder ist gewillt, diesen „Mindset-Shift“ mitzugehen. Wenn sich aber keine kritische Masse findet, dann werden die Erfolge von Agilität ausbleiben, weil die gewählte Methode nicht zur Kultur der Firma passt.
- Oft stellen wir fest, dass Agilität besonders gut in kleinen Einheiten funktioniert und z.B. erste Pilotprojekte überzeugende Ergebnisse liefern. Wenn dann aber die ganze Organisation umgekrempelt werden soll, treten gravierende Probleme der Skalierbarkeit auf. Im Magazin Manager Seminare vom November 2019 nennt Thomas Würzburger Gründe hierfür. Und wie so häufig liegt es an den Menschen im System.
- Es liegt an der z.T. eingeschränkten Agilität der Menschen: Nicht jeder Mitarbeitende ist dafür geschaffen und auch gewillt, selbstorganisiert zu arbeiten, sich immer wieder auf neue Teams einzulassen, regelmäßige Entscheidungen zu treffen und sich permanent weiterzuentwickeln.
- Es liegt an der oft ungeklärten Rolle der Führungskräfte: Agile Systeme stellen Führungskräfte oft vor das Paradox einerseits Verantwortung für Prozesse und Ergebnisse zu tragen und andererseits Selbstorganisation und Selbststeuerung zuzulassen. Viele Führungskräfte sind damit überfordert.
- Es liegt an dem meist unterschätzten Konfliktpotential: Agile Strukturen wirken in vielen Fällen konfliktfördernd: Zum einen tun sie das, weil sie hierarchische Strukturen und Abteilungsgrenzen auflösen. Hinzu kommt, dass deswegen aber das Gerangel um Zuständigkeiten keineswegs verschwindet. Zum anderen wird Arbeit in agilen Frameworks fast immer von einer höheren Emotionalität begleitet, da durch Selbstverantwortung und Selbstorganisation jeder Beteiligte natürlich auch seine persönlichen Interessen im Spiel hat. Ganz zu schweigen von dem Druck, der aufkommt, wenn fristgerecht geliefert werden muss.
- Es liegt an dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit: Das Prinzip der rotierenden Rollen und Teamstrukturen, das vielen agilen Ansätzen zugrunde liegt, bieten für Mitarbeitende weniger Möglichkeiten, ihr Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit zu befriedigen.
- Es liegt an mangelnder persönlicher Reife: Arbeiten in agilen Strukturen bringt den Mitarbeitenden nicht nur Freiheiten, sondern stellt auch hohe Anforderungen. Neben Eigenverantwortung gehören dazu insbesondere Kritikfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, die Fähigkeit zur Selbstreflexion sowie eine ausgeprägte Beziehungsfähigkeit. All diese Fähigkeiten sind ein Produkt persönlicher Reife, die bei Mitarbeitenden unterschiedlich stark ausgeprägt ist.
Ob Agilität in Ihrem Unternehmen oder in Ihrem Projekt der richtige Weg ist, müssen Sie selbst herausfinden. Einige Grenzen haben Sie hier heute kennengelernt. Probieren Sie es aus, und wie das in der agilen Welt üblich ist, am besten in kleinen Schritten und mit häufigen Anpassungen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Experimentieren und viel Erfolg in der Umsetzung.
Quellen:
https://blog.zhaw.ch/iap/2017/09/21/agilitaet-die-antwort-auf-menschliche-beduerfnisse/