Es stellt sich die Frage, warum die Künstliche Intelligenz gerade in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen hat. Für diese Entwicklung sind nicht einzelne Faktoren alleine verantwortlich, sondern das Zusammenwirken verschiedener Entwicklungen, die sich gegenseitig verstärken. Folgende Treiber der Künstlichen Intelligenz sind besonders herauszuheben (vgl. auch Brynjolfsson/McAfee, 2014, S. 277f.; Kreutzer/Land 2015, 2016):
- Exponentielle Entwicklung der Leistungsfähigkeit von IT-Systemen und darauf basierenden Technologien
- Vordringen der Digitalisierung und Dematerialisierung in immer mehr Bereiche der Wertschöpfung
- Steigende Vernetzung zwischen Objekten, Prozessen und Lebewesen, die nicht nur zur Entwicklung des Internet-of-Things (IoT), sondern zu einem Internet-of-Everything (IoE) führt
Gerade die „Mischung aus exponentieller, digitaler und kombinatorischer Innovation“ bringt für die Unternehmen vielfältige Chancen und Risiken mit sich (Brynjolfsson/McAfee, 2014, S. 277).
Die Verknüpfung der oben genannten Treiber der Künstlichen Intelligenz führt zu einem Tipping-Point i.S. einer wichtigen Trendwende hin zu einer exponentiellen Entwicklung in den KI-Systemen. Um zu verstehen, was exponentielles Wachstum bedeutet, hilft folgende Denkaufgabe:
- Wie viele Meter legt ein Mensch zurück, der 31 analoge Schritte von einem Meter Länge zurücklegt? Ca. 31 Meter.
- Wie viele Meter legt ein Mensch zurück, der 31 exponentielle Schritte absolviert, bei dem sich die Schrittgröße von Schritt zu Schritt verdoppelt? Wenn der Mensch seinen 31. exponentiellen Schritt vornimmt, hat er mehr als eine Milliarde Meter zurückgelegt!
Diese Exponentialität liegt dem sogenannten Moore’schen Gesetz (Moore’s Law) zugrunde. Basierend auf empirischen Beobachtungen wurde von Gordon Moore schon 1965 das „Gesetz“ abgeleitet, dass ca. alle zwei Jahre eine Verdoppelung der Leistungsfähigkeit von integrierten Schaltkreisen erreicht werden kann. Wenn man den Bau des ersten integrierten Schaltkreises auf das Jahr 1958 datiert, haben wir inzwischen schon mehr als 32 Verdopplungszyklen hinter uns. Das bedeutet, dass diese Verdopplungen heute auf einem bereits sehr hohen Leistungsniveau stattfinden (vgl. weiterführend Kreutzer/Sirrenberg, 2019).
Ein Ende dieser Entwicklung ist noch nicht abzusehen, auch wenn die Entwicklungsdynamik bei den integrierten Schaltkreisen in den letzten Jahren etwas abgenommen hat – da die Mechanik der Verkleinerung an ihre physikalischen Grenzen stößt. Dennoch werden die nächsten Technologie- und Leistungssprünge alles bisher Erreichte wieder in den Schatten stellen. Der nächste gigantische Schub wird jetzt vom Quanten-Computing erwartet, der die Dichotomie aus „0“ und „1“ überwindet.
Hätte die Automobilindustrie die gleichen technologischen Durchbrüche erzielt wie die Computer-Industrie, würde der VW Käfer von 1971 heute eine Geschwindigkeit von 480.000 Kilometer pro Stunde erreichen – bei einem Kaufpreis für das Fahrzeug von vier €-Cent (vgl. Hohensee, 2015). Das sind die Konsequenzen der beschriebenen exponentiellen Entwicklungsschübe!
Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer ist Autor mehrerer Studienbriefe der DAM
Literaturverzeichnis
Brynjolfsson, E./McAfee, A. (2014): The Second Machine Age: Wie die nächste digitale Revolution unser aller Leben verändern wird, Kulmbach
Hohensee, M. (2015): Gordon Moore Maschinen könnten mehr als die Hälfte der Jobs ersetzen, http://www.wiwo.de/unternehmen/it/gordon-moore-maschinen-koennten-mehr-als-die-haelfte-der-jobs-ersetzen/11805510.html , Zugegriffen 26.6.2018
Kreutzer, R./Land, K.-H. (2016): Digitaler Darwinismus – Der stille Angriff auf Ihr Geschäftsmodell und Ihre Marke, 2. Aufl., Wiesbaden
Kreutzer, R./Sirrenberg, M. (2019): Künstliche Intelligenz, Grundlagen – Use-Cases – KI-Journey, Wiesbaden