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25. Juni 2020 | von Christiane Schrübbers

Inklusion im Museum managen

Inklusion bedeutet, Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen herzustellen: für körperliche, psychische, Sinnes- und Lerneinschränkungen Kompensation anzubieten, die sich gleichermaßen auf das Bauliche des Hauses und das Konzeptionelle der Ausstellung bezieht[1] . Inklusion wird erweitert zu „Museum für alle“, weil ALLE profitieren: die Besucher und Besucherinnen, die wegen ihres Alters geringer sehen, hören und stehen können, die, die vorübergehend eine schwächere Kondition haben und die, die aus sprachlichen Gründen lieber niederschwellige Angebote nutzen. Also eine Maßnahme, die gesetzlich vorgeschrieben ist[2] und einen hohen Zusatznutzen hat.  

Eine komplexe Aufgabe, die unbedingt Chefsache sein muss: laden Sie die gesamte Belegschaft ein, dieses Projekt „inklusive Ausstellung“ mitzugestalten: die Kuratierenden, die Verwaltung, die Empfangs- und Aufsichtskräfte und das Facility Management, die Abteilung Bildung und Vermittlung sowieso. Sogar die Gärtnerin sollte einbezogen sein, die den Garten um Ihr Haus herum pflegt. Am Anfang der Arbeit steht die Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung für das gesamte Team: sich mit dem Rollstuhl oder mit Langstock und Dunkelbrille durch die bestehende Ausstellung bewegen, mit einem Alterssimulationsanzug die schwindenden Kräfte spüren, ohne auditive Orientierung durch eine akustische Szene gehen: das schafft Verständnis für die Bedarfe von Menschen mit Behinderung. Als nächstes sorgen Sie für eine Fokusgruppe. Die Behindertenverbände vermitteln Ihnen interessierte „Experten und Expertinnen in eigener Sache“, die Sie von Anfang an in den Prozess des Konzipierens und Gestaltens einbinden[3] . Kuratrierende müssen das akzeptieren. Die Verbände beraten auch zu den Verträgen und den Feinheiten der Honorierung, denn Ihre neuen Mitarbeitenden sind in der Regel von Transferleistungen abhängig und müssen Einnahmen an das Jobcenter oder Integrationsamt abführen. Sachverständige für Barrierefreiheit sollten die Zusammenarbeit dieses Gremiums mit der Projektgruppe moderieren. Sehen Sie im Ablaufplan des Projekts (Teilphasen, Meilensteine) feste Zeiten vor, um die immer wieder nötige Abstimmung mit der Fokusgruppe zu garantieren. Beachten Sie, dass Menschen mit Behinderung oft nicht so flott verfügbar sind, wie man sich das wünscht. Sie brauchen mehr Zeit, um ihr Leben zu managen. Setzen Sie die Termine langfristig und halten Sie sie zuverlässig ein. Ein gemeinsames Arbeiten in den Sitzungen zu ermöglichen, braucht viel Umsicht und Rücksicht, denn Sie wollen immer alle mitnehmen: für die Blinden visuelle Eindrücke verbalisieren, für die Hörgeräte-Träger ein Induktionsmikrofon kreisen lassen, Gebärdensprach-Dolmetscherinnen für die Gehörlosen bereitstellen, Tischvorlagen in Großdruck für die Sehbehinderten und in einfacher Sprache für die Menschen mit Lernschwierigkeiten verteilen. Dann können die Raumplanung, die Wegeführung sowie die Auswahl und Darstellung der Exponate besprochen werden. Und natürlich die Auswahl des Gestalterbüros. Verpflichten Sie es, Nachbesserungen vorzunehmen, wenn die Expertinnen in eigener Sache in ihrem Abschluss-Test der Ausstellung doch noch Schwachstellen in der Zugänglichkeit und Nutzbarkeit aufdecken. Sie finden das sehr aufwendig? Nun, zumindest ist es ungewohnt, aber es lohnt sich, nicht nur für die neuen

Erfahrungen, die Sie machen, sondern auch für die Besuchenden, die Ihre Ausstellung so viel nutzbarer finden. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gelingende Erfahrung!

Christiane Schrübbers

Copyright Foto: Christiane Schübbers

 


[1] Der Deutsche Museumsbund stellt seinen Leitfaden „Das inklusive Museum“ unter das Motto: Hinkommen, reinkommen, klarkommen.

[2] Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) (im März 2009 von Deutschland unterschrieben) sagt aus, dass behinderte Menschen an allen Dingen, die sie selbst betreffen, im Sinne einer guten Partizipation beteiligt werden müssen.

[3] Seit einigen Jahren hat man nicht mehr nur eine Gruppe, zum Beispiel die RollstuhlnutzerInnen oder die Blinden, sondern möglichst viele verschiedene Gruppen mit Behinderung im Blick.

Christiane Schrübbers
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