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4. Januar 2024 | von Elmar Stein

Kennen und beachten Sie die Wünsche und Ziele Ihrer Mitarbeitenden wirklich?

In vielen klassischen Annahmen beim Talentmanagement und bei der Personalentwicklung steht ein bestimmtes Menschenbild im Vordergrund. Dieser wird auch von Unternehmen und deren Management besonders berücksichtigt. Zudem wird dieses Menschenbild beziehungsweise die damit verbundenen Annahmen über Verhalten und Ziele in den Mittelpunkt gestellt. Es geht darum, dass sich Mitarbeitende in Unternehmen ständig weiterentwickeln möchten, sich dafür anstrengen und neue Aufgaben und mehr Verantwortung übernehmen möchten. Es gilt weiterhin die Annahme, dass Mitarbeitende die Karriereleiter im Fokus haben und bildlich gesprochen auf dieser schrittbereit stehen und nach oben schauen. Dies wird nicht nur in den Annahmen der Unternehmen und deren Management fokussiert, sondern es werden zudem noch finanzielle Anreize für Mitarbeitende gesetzt, die diese auf dieses Denken einschwören sollen. Es werden Boni für (besonders) gute Leistungen angeboten, sowie Entwicklungsperspektiven aufgezeigt und in Personalentwicklungsgesprächen oftmals noch betont. Sicherlich ist dies auch für eine bestimmte Anzahl von Mitarbeitenden attraktiv und sie wollen sich auch mit mehr oder weniger starkem Einsatz aber prinzipiell weiter entwickeln und auf der Karriereleiter aufsteigen. Hiervon profitieren nicht nur die Arbeitnehmer, die sich entwickeln wollen und sich beruflich verwirklichen möchten. Unternehmen profitieren davon ebenfalls, weil sie ihr Personal gezielt weiterentwickeln können und durch die Talentpipeline sicherstellen, dass hierarchisch höhere Positionen durch eigene Mitarbeitende besetzt werden können, wenn Unternehmen wachsen beziehungsweise hierarchisch höhere Positionen durch frei werdende Arbeitsplätze besetzt werden können. Soweit zum normalerweise vorhandenen Regelfall.

Es gibt aber auch eine – je nach Unternehmen – unterschiedlich große Gruppe an Mitarbeitenden, auf die diese Ziele, Wünsche und Entwicklungsplanungen nicht zutreffen. Auch wenn Unternehmen bei ihrem Personalmanagement seit mittlerweile längerer Zeit die work life balance in den Vordergrund rücken und sich dadurch viele Verbesserungen ergeben haben, liegt bei dieser Gruppe eine andere Absicht vor. Auch wenn es drastisch klingt und gegebenenfalls überzogen ist, gibt es Mitarbeitende, die sich sagen: „eine Verwirklichung in Job ist für mich nicht interessant; für mich ist mein Job einfach Mittel zum Zweck, weil ich Geld zum Leben brauche und ein Dach über dem Kopf. Für mich geht es nicht darum, möglichst viel Geld zu verdienen, sondern für mich sind andere Dinge im Fokus.“ Dies kann beispielsweise mehr Freizeit sein, die Mitarbeitende mit ihrer Familie verbringen möchten. Dies ist eine legitime Einstellung, die Mitarbeitende haben können und vom Unternehmen und deren Management auch berücksichtigt werden müssen. Dies heißt jedoch nicht, dass diese Mitarbeitenden eine schlechte Einstellung zur Arbeitsleistung haben oder aber low-performer sind. Diese Gruppe an Mitarbeitenden geht oftmals mit einem durchschnittlichen Leistungsanspruch an die Arbeit und erledigen diese dementsprechend. Für Unternehmen sind dies daher nicht unattraktive Mitarbeitende, weil sie ihrer Arbeit nachkommen und diese zufriedenstellend erledigen. Zu Bedenken ist, dass nicht alle Mitarbeitende die Möglichkeiten des Personalentwicklung und vor allem der Beförderungsmöglichkeiten nutzen können. Pragmatisch gesagt: es können nicht alle Mitarbeitenden befördert werden; es werden auch Mitarbeitende benötigt, die mit ihrer Arbeit zufrieden sind aber keine höheren Ansprüche verfolgen. Wenn Unternehmen und deren Management diese Gruppe an Mitarbeitenden identifiziert und nach ihren Erwartungen und Zielen berücksichtigt und dementsprechend mit ihnen umgeht, sind dies in den allermeisten Fällen sehr verlässliche und potentiell langfristige Mitarbeitende bei Unternehmen. Dies bedeutet allerdings, dass Unternehmen und das Management bei diesen Personen nicht aktiv auf Personalentwicklungsmaßnahmen drängen sollten. Sichergestellt werden sollte, dass dieser Gruppe von Mitarbeitenden die Türen offen stehen und sie bei Interesse auf die Vorgesetzten zugehen kommen können; Druck sollte jedoch nicht erzeugt werden. Sichergestellt werden muss aber, dass Mitarbeitende an notwendigen Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, die sich durch Veränderungen bei der Arbeit ergeben. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich Arbeitsabläufe durch technologische Veränderungen ergeben und dadurch andere Kompetenzen und Fähigkeiten notwendig werden. Als Zielsetzung sollte gelten, dass sich Aufgabenveränderungen innerhalb des aktuellen Jobs angeeignet werden müssen, hierarchisch höhere Aufgaben aber nicht einbezogen werden sollen.

Welche Kolleginnen und Kollegen fallen Ihnen ein, auf die diese Einstellung zutrifft? Woran machen Sie diese Einschätzung fest? Ist diese Einstellung bei den Kolleginnen und Kollegen bekannt? Wie wird mit dieser Einstellung vom Unternehmen und den Führungskräften umgegangen?

Abschließend noch eine Gedankenanregung: ist dies Gruppe an Mitarbeitenden nicht sogar eine sehr attraktive Gruppe für Unternehmen, wenn eine bestimmte Anzahl an Positionen je Hierarchieebene mit solchen Mitarbeitenden besetzt wird? Bedenken Sie dabei, dass diese nicht in den Konkurrenzkampf um Beförderungen einsteigen, der auch zu negativen Konsequenzen (freiwilliges Ausscheiden aus dem Unternehmen) führen kann, wenn anderswo bessere Entwicklungschancen vermutet werden oder vorhanden sind. Zudem wird auch verhindert, dass ein „Konkurrenzkampf“ zu einer sich verschlechternden Stimmung führt und sich dadurch weitere negative Effekte ergeben.

Elmar Stein
Elmar Stein promoviert derzeit im Bereich systemisch-strategisches Personalmanagement. Er hat einen amerikanischen Master in Human Resource Management (mit Schwerpunkt Organisationsstrategie) und ist Gymnasiallehrer (für Englisch und Politikwissenschaften). Er ist Absolvent der DAM im Lehrgang Geprüfte/r Personalmanager/in.
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