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10. März 2022 | von Ilona Kühling und Dr. Marvin Hecht

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser – mit „Neuer Autorität“ im Management ganzheitlich „in Führung“ gehen

Führung ist nicht gleichbedeutend mit dem Ausstrahlen von Autorität. Führungsmethoden, die nicht auf die Reflexion der eigenen Einstellung, der Verhaltensweisen und der Beziehung zu den Mitarbeitenden ausgerichtet sind, zielen überwiegend darauf ab, Wahrhaftigkeit und Authentizität pseudo-kooperativ durch bürokratisch strukturierte Inszenierungen zu ersetzen (Vgl. Baumann-Habersack 2021). Neue, transformative Autorität im Führungskontext ist eine verkörperte, transformative Führungshaltung, führt zu einer Evolution hin zu Gleichwürdigkeit und vernetzter Autonomie und ist somit kein definierter Führungsstil, sondern spiegelt die Art und Weise wider, wie ich die Welt betrachte. Sie bietet Menschen mit Führungsverantwortung eine wirkungsvolle und zukunftsweisende Alternative zu „verkrusteten“ Strukturen der Unternehmenskultur. Moderne Führung in einer global vernetzten Welt muss immer einem ganzheitlichen Ansatz folgen. Führungsstil-Modelle haben längst ausgedient, denn diese widmen sich allenfalls der Verhaltensebene der Führungskraft. Die maßgeblich beeinflussende Haltungsebene eines Menschen wird nicht abgebildet. Doch genau auf die Haltung (!) kommt es an. Das Konzept der „Neuen Autorität“ strebt nach dem Sinn, die mentalen Modelle zu herkömmlicher Autorität in der Führung bei Organisationen und Individuen zu transformieren – weg von starrer Kontrolle aus Misstrauen und Angst, hin zu Vertrauen, Partizipation und Sicherheit in Beziehungen. Autorität in Organisationen stellt „ein homöostatisches Ergebnis von freiwilligen Zuschreibungen über Führung und Folgen“ (Baumann-Habersack 2020: 76.) dar und emergiert durch den wechselseitigen und -wirkenden Verhandlungsprozess zwischen Menschen (den Verhandlungsparteien) im Arbeitskontext auf struktureller und individueller Kommunikationsebene (Vgl. Ziegler 1970). Neue, konstruktive, transformative Autorität (horizontal, nahbar und transparent) steht im Gegensatz zur alten, oft destruktiven, traditionellen Autorität (autoritär-vertikal bzw. antiautoritär-diffus) und bedient sich einer durch die Führungskraft verkörperten „Haltung“ (persönliches Mindset), gelebten „Werten“ (Gleichwürdigkeit, Vertrauen, Gewaltlosigkeit, Autonomie) sowie sieben Axiomen (Präsenz, Selbstführung, Deeskalation, Vernetzung, Beharrlichkeit, Wiedergutmachung, Transparenz) und daraus abgeleiteten „Handlungen“ und Verhalten der Führungskraft: Präsenz in jeder relevanten Situation; Fähigkeit, sich selbst, die eigene Emotion und Effektivität zu führen; vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb eines größeren Netzwerks; Kompetenz, im Konfliktfall nicht zu sanktionieren, sondern zu kooperieren, deeskalieren und Ausgleich zu schaffen; Bereitschaft, Offenheit, Zugänglichkeit sowie Transparenz herzustellen; Ausdauer und Beharrlichkeit auch bei turbulenten Situationen (Vgl. Baumann-Habersack 2021, Vgl. auch Omer und Von Schlippe 2013). Mit Omers Zitat „Und bist Du nicht willig, so brauch´ ich Geduld.“ (2014) wurde das Konzept der Neuen Autorität geschaffen, welches zunächst Anwendung im familientherapeutischen Kontext fand. Von Schlippe entwickelte die Idee der „gewaltfreien Aktion“ (GA, engl. nonviolent action) nach Gandhi und Martin Luther King jr. in Deutschland weiter. Baumann-Habersack nutzte das Konzept der Neuen Autorität und übertrug dieses schließlich als „Transformative Autorität“ auf die Unternehmenswelt, um Führungskräften in der modernen, digitalen, agilen Welt eine sinnvolle Perspektive im menschlichen, beziehungsorientierten und nachhaltigen Führungsverständnis zu bieten.

 

Abbildung: Die 7 Elemente der neuen, transformativen Autorität in der Führung (Quelle: Baumann-Habersack 2019)

Literaturempfehlungen:

Baumann-Habersack, F. H. (2020): Führen mit transformativer Autorität: Die neue Praxis wirksamer Konfliktbearbeitung, Göttingen.
Baumann-Habersack, F. H. (2021): Mit transformativer Autorität in Führung: Die Führungshaltung für das 21. Jahrhundert, Wiesbaden.
Baumann-Habersack, F. H. (2015): Mit neuer Autorität in Führung: Warum wir heute präsenter, beharrlicher und vernetzter führen müssen, Wiesbaden.
Geisbauer, W. (2018): Führen mit Neuer Autorität: Stärke entwickeln für sich und das Team, Heidelberg.
Laloux, F. (2015): Reinventing Organizations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit, München.
Lemme, M., und Körner, B. (2018): Neue Autorität in Haltung und Handlung: Ein Leitfaden für Pädagogik und Beratung, Heidelberg.
Omer, H., und Von Schlippe, A. (2013): Autorität durch Beziehung: Die Praxis des gewaltlosen Widerstandes in der Erziehung, Göttingen.
Von Schlippe, A., und Grabbe, M. (2012): Werkstattbuch Elterncoaching: Elterliche Präsenz und gewaltloser Widerstand in der Praxis, Göttingen.
Ziegler, H. (1970): Strukturen und Prozesse der Autorität in der Unternehmung, Stuttgart.

Ilona Kühling
Ilona Kühling arbeitet seit über 15 Jahren freiberuflich als Dozentin und hochschulzertifizierter Systemischer Business Coach, systemische Beraterin und Coach für transformative „neue“ Autorität. Zu ihrer Kundschaft  gehören neben Hochschulen, Akademien und Weiterbildungsinstituten auch Führungskräfte, Manager und Managerinnen mittelständischer Unternehmen. Mit ihrer Kollegin Claudia Bernert bietet sie Workshops zum Thema "Führen mit neuer, transformativer Autorität" bei der IMINA-Akademie an.
Dr. Marvin Hecht
Herr Dr. Marvin Hecht arbeitet als Beamter in einer Bundesbehörde. Er weist inzwischen eine mehrjährige Erfahrung in der öffentlichen Verwaltung auf, die er u. a. in verschiedenen Bereichen der Hochschule gesammelt hat. Beginnend mit der Tätigkeit als Doktorand durchlief er dabei mehrere Stationen innerhalb der Universität. Zugleich ist Herr Dr. Hecht seit Jahren in die Ausbildung und Lehre eingebunden, wobei die Tätigkeit als Dozent an einer Techniker- und Ingenieurfachschule die umfangreichste Lehrtätigkeit war. Herr Dr. Hecht arbeitet immer wiederkehrend an verschiedenen Publikationen und engagiert sich ehrenamtlich sowohl als Mentor für den akademischen Nachwuchs als auch als Gutachter in diversen Auswahlgremien. Er hat Wirtschaftsingenieurwesen in Clausthal studiert, daran anschließend ebenfalls an der Technischen Universität Clausthal in Maschinenbau promoviert sowie ein Ergänzungsstudium für Recht/Verwaltung und Führung/Wirtschaftlichkeit an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer absolviert. Zudem ist er zertifiziert für Hochschuldidaktik, interkulturelle Kompetenz und überfachliche Kernkompetenzen (wissenschaftliches Arbeiten, Persönlichkeits- und Karriereentwicklung, Didaktik). Er war Gründer und langjähriger Inhaber eines erfolgreichen Umzugsunternehmens, welches bis heute in Familienhand weitergeführt wird.
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