In vielen empirischen Untersuchungen ähneln sich die Motive einen Beruf im Gesundheitswesen zu ergreifen. Annähernd 90% der Befragten gaben an „Menschen helfen zu wollen“ oder den „Kontakt zu Menschen“. [1] Hinzu kommen altruistische Wertvorstellungen, die meistens bereits im Elternhaus vermittelt werden. Th. Bergner stellte jedoch fest, dass diese intrinsischen Motive nur scheinbar die wahren sind. Denn diese Menschen arbeiten paradoxerweise in der Situation „gerne helfen wollen zu müssen“.[2] Auch Einkommen und Status sind seiner Ansicht nach eher vorgeschoben.
Er vertritt die Annahme, dass hinter der Berufswahl eine „narzisstische Unersättlichkeit“[3] und ein „ausgeprägter Machthunger“[4] stecken. Menschen in helfenden Berufen wollen mithilfe der Patienten ihre eigenen Probleme lösen. Grundsätzlich ist dies nicht verwerflich, weil es häufig auch das Motiv für andere Berufswünsche ist. Zum Problem wird es jedoch, wenn sich hinter der Hilfe eine große Hilfslosigkeit verbirgt.[5]
Bergner stellt die Hypothese auf, dass Menschen mit einem Helfersyndrom sich als Kinder vernachlässigt fühlten. Es fehlte an einer sicheren Bindung zur Bezugsperson. Diese Kinder versuchen als Erwachsene die Anerkennung durch ihren Beruf zu erlangen. Sie wollen für das, was sie tun geliebt werden und nicht um ihrer selbst Willen. Angehende Studienrende im Fach Medizin waren in der Regel sehr gute Schüler oder Schülerinnen. Gute Leistungen dienten bei vielen Kindern häufig dazu, sich Liebe zu erarbeiten, die sonst möglicherweise nicht gegeben oder empfunden wurde. Doch dies führt zu ständiger Frustration, weil diese beiden Ebenen (Liebe vs. Leistung) miteinander vermischt werden, obgleich sie nichts miteinander zu tun haben. Ein abgelehntes Kind versucht den Idealvorstellungen der Eltern und / oder der Lehrer und Lehrerinnen gerecht zu werden. Dies führt zu einem extrem angepassten Kind, das alle Erwartungen erfüllt. Die narzisstischen Bedürfnisse werden meistens verborgen und es entwickeln sich starke Minderwertigkeitsgefühle.[6] Letztendlich erwarten die Betroffenen, durch die Ausübung ihres Berufes, die vermisste Liebe empfinden zu können.
Es geht dabei aber nicht nur um die Dankbarkeit durch die geheilten Patienten und Patientinnen, sondern auch um Anerkennung von Familie, Vorgesetzten und Kollegenteam.[7]
Allerdings haben nicht alle Menschen in einem Gesundheitsberuf ein ausgeprägtes Helfersyndrom, weshalb auch nicht alle ein Burnout entwickeln.[8] Jedoch lässt sich festhalten: „Eine wesentliche Motivation, den Arztberuf zu ergreifen, ist die eigene Verwundung oder Krankheit.“[9]
Annika Förster
Literaturangaben
Bergner, Thomas M.H.: Burnout bei Ärzten – Arztsein zwischen Lebensaufgabe und Lebens-Aufgabe; 1. Ausgabe, Stuttgart; 2006
Bergner, Thomas M.H.: Burnout bei Ärzten – Arztsein zwischen Lebensaufgabe und Lebens-Aufgabe; 2.überarbeitete und aktualisierte Auflage, Stuttgart; 2010
Bonse-Rohmann, Mathias/ Burchert, Heiko (Hrsg.): Neue Bildungskonzepte für das Gesundheitswesen; Bonn; 2011
[1] Vgl. Bohnse-Rohmann, Burchert, 2011, S.111
[2] Vgl. Bergner, 2010, S. 63
[3] Bergner, 2010, S.64
[4] Bergner, 2010, S.64
[5] Vgl. Bergner, 2010, S. 64
[6] Vgl. Bergner, 2010, S. 72ff; „Eine narzisstische Persönlichkeit will dauernd helfen, um daraus den inneren Gewinn des Gebrauchtwerdens oder auch des Machthabens zu ziehen. Merkt sie, dass ihr Helfen-Können sich schwächt, schwächt es im Übermaß die Person selbst – der Weg nach unten, ins Burnout, beschleunigt sich.“; Bergner, 2010, S.74
[7] Zu den „tatsächlichen Motiven“ zählt Bergner weiter: Anders sein zu wollen, Ängste, Elterngelübde, Erlösung finden, es besser machen zu wollen (als bspw. die Ärzte, mit denen man als Kind zu tun hatte), das Gefühl, als Kind im Abseits zu stehen, Kompensation defizitärer Anliegen (fehlendes Urvertrauen), kränkliche Kindheit, seelische Bedürfnisse, sich zu rächen, Streben nach Wohlstand – mit Unantastbarkeit und Erfolg, Talent und Überwindung der eigenen Unzulänglichkeiten (auch körperlichen Art). Vgl. Bergner, 2010, S.77
[8] Vgl. Bergner, 2010, S. 68ff
[9] Bergner, 2010, S.156