Zunächst ist zu betonen, dass buddhistische Wirtschaftslehre nicht als etwas Religiöses zu verstehen ist, sondern als umfassendes ethisches Prinzip. Die Wirtschaft ist nach buddhistischer Anschauung nicht von anderen Wissensgebieten zu trennen. Sie ist Bestandteil einer gemeinschaftlichen Anstrengung, Probleme der Menschheit zu lösen. Statt Bedürfnisse durch Konsum zu befriedigen – was, wie immer mehr Menschen auch im Westen erkennen, gar nicht funktioniert – setzt die buddhistische Wirtschaftslehre bei den wirklichen menschlichen Bedürfnisse hinter den Konsumbedürfnissen an. Als einer der ersten im Westen hat sich 1955 der deutsch-britische Ökonom Ernst Friedrich Schumacher damit befasst. Seit Beginn der 1970er orientiert sich die Wirtschaftspolitik im Königreich Buthan statt an der Erhöhung des BIP auf die Optimierung des Bruttonationalglücks, welches regelmäßig durch Erhebungen gemessen wird.
In der jüngeren Vergangenheit hat sich der deutsche Ökonom und Wirtschaftsethiker Karl-Heinz Brodbeck mit diversen Veröffentlichungen mit Kritik am neoliberalen Wirtschaftsdogma aus buddhistischer Perspektive hervorgetan. Er übt Kritik an der Annahme, das Ich sei eine identitäre Handlungseinheit. Was wir Ich nennen, ist die Erinnerung plus Vorstellung aus einer Vielzahl von flüchtiger Empfindungen und Gedanken. Physikalisch verändert sich die Materie unseres Körpers permanent. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass auch nur ein Atom aus unserer Kindheit mit 40 Jahren noch Teil unseres Körpers ist. Auf dieser Täuschung baut jedoch das gesamte Gedankengebäude der neoliberalen Markt-Theorie auf. Es basiert auf Verblendung = ein Ego identifiziert sich mit dem Inhalt (Körper, Geld, Zahlen, Eigentum, Rechte) und dem Glaube an das bleibende Wesen der Dinge (Schein des Geldes). Daraus erwächst Gier = das Ego muss expandieren, um die Illusion an die es sich klammert zu nähren: Profit- und Nutzenmaximierung, Übernutzung und Ausschlachtung von Ressourcen als „Droge für die Sucht der Verblendung“. Wenn dann ein gieriges Ego auf weitere gierige Egos stößt, stehen sie im Wettbewerb, im Kampf, sind im Krieg, oder hassen einander gar, was zum global unfairen Wettbewerb führt. So wird sehr viel Arbeit, werden aber vor allem unfassbar viel natürliche Ressourcen aufgewandt, die ganz und gar nicht der Befriedigung echter menschlicher Bedürfnisse dienen. Kann auf Basis eines solchen Mindsets wirklich eine nachhaltige Wirtschaft entstehen?
Ich überlasse es Ihnen, ob Sie den aufgezeigten Widersprüchen der klassischen Wirtschaftslehre folgen und sich eine Orientierung an der buddhistischen Wirtschaftslehre vorstellen können, gerade weil bei aller Bewunderung für die Ansätze in dem Himalaya-Staat Buthan die Vorbildhaftigkeit für eine Volkswirtschaft wie Deutschland oder die EU schon einiger Kreativität bedarf. Wir bleiben weiter am Thema und betrachten in Folge 22 die Rolle des Geldes. Auf Wiederhören!