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30. November 2023 | von Elmar Stein

Nicht meckern, sondern Ansätze und Strategien hinterfragen und anpassen!

Gehört Ihr Unternehmen auch zu denjenigen, die vom Fachkräftemangel (stark) betroffen sind? Wenn ja, dann befinden Sie sich in guter Gesellschaft. In Deutschland sind die Mehrheit der Organisationen vom Fachkräftemangel und dessen Auswirkungen betroffen. Manche Unternehmen spüren diese Auswirkungen weniger, andere dafür umso deutlicher. Studien und Prognosen bis 2030 und 2040 verheißen zudem nichts gutes; oder anders ausgedrückt: die Situation wird sich noch deutlich verschlechtern. Einig sind sich die Studien und Prognosen bei den Ursachen. Vor allem wird der demografische Wandel – und damit die Alterung der Gesellschaft – als besonders relevanter Faktor angeführt. Die Baby Boomer Generation verlässt nach und nach den Arbeitsmarkt und die geburtenschwachen Jahrgänge rücken nach. Die Anzahl der Personen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen sinkt. Weitere Hauptgründe sind der technologische Fortschritt und die Digitalisierung. Einerseits fallen hierdurch Arbeitsplätze weg und andererseits steigen die benötigten Kompetenzanforderungen bei den verbleibenden Arbeitsplätzen. Zudem liegen in vielen Bereichen und Ausbildungsrichtungen hohe Konzentration an Personen vor, während andere berufliche Richtungen massiv zu wenige potentielle Fachkräfte haben. Vor allem letzteres führt dazu, dass sich der aktuell bereits (in vielen Branchen und Fachrichtungen vorhandene War for Talent zu einem War for Employees weiterentwickeln wird. In vielen Unternehmen beziehungsweise von deren Management ist deshalb immer wieder der Satz zu hören: „wir finden einfach keine (geeigneten) Leute“. Sicherlich ist dies in einigen Fällen richtig und für Unternehmen eine frustrierende Situation; jedoch wird dieser Satz von Unternehmen zu schnell geäußert und die eigene Rolle und Herangehensweise vernachlässigt. Anstelle dieses Satzes sollte sich eher gefragt werden: Was sind die Gründe? Was können wir verändern? Was müssen wir besser machen? Dies sind Fragen, dessen Antworten zu konkrete Reaktionen führen und eine Verbesserung der Situation ermöglichen.

Viele Unternehmen haben sich noch nicht ausreichend an die Situation angepasst. Beispielsweise reagieren viele Unternehmen weiterhin zu behäbig auf Bewerbungen. Rückmeldungen nach mehr als 4 Wochen sind keine Seltenheit. Auf einem Arbeitnehmermarkt, bei dem sich potentielle Kandidatinnen und Kandidaten aussuchen können, wo sie arbeiten (wollen), sind einige Personen nach einer solchen Zeitspanne schon nicht mehr verfügbar. Negativer Spitzenreiter, bei dem ich persönlich schon eine solche Erfahrung gemacht habe, ist ein Unternehmen, welches angekündigt hat eine Entscheidung in 4 Monaten zu treffen.

Andere Unternehmen machen den Bewerbungsprozess sehr aufwendig. Teilweise müssen interessierte Personen Daten mehrfach angeben. In der aktuellen Arbeitsmarktsituation sollten Bewerbungen vereinfacht werden um die Zahl potentieller Bewerberinnen und Bewerber zu erhöhen. Wie handhaben Sie es mit Anschreiben und dem Aufwand im Bewerbungsprozess? Ist dieser Ihrer Meinung nach bewerber(innen)freundlich?

Einige Unternehmen arbeiten auch weiterhin in einem zu geringen Maße mit Personaldienstleistern zusammen. Auch wenn die Kosten deutlich höher sind als selbst Mitarbeitende zu finden, kann die Nutzung von Personaldienstleistern sinnvoll sein, vor allem weil man auf den Pool eines Personaldienstleisters und deren Kompetenzen zurückgreifen kann. Insbesondere sollten die fehlenden Umsätze und damit der Gewinn berücksichtigt werden, die durch fehlendes Personal die Folge sind.

Unternehmen haben sich trotz der sich abzeichnenden Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt nur unzureichend im Bereich Employer Branding vorbereitet beziehungsweise nutzen dies nur in sehr begrenztem Maße. Gerade in diesen und den sich weiterhin abzeichnenden Verhältnissen sind die Sichtbarkeit und eine überzeugende Arbeitgebermarke von entscheidender und zunehmend auch von strategischer Relevanz für Unternehmen und deren langfristige Existenzsicherung.

Viele Unternehmen müssen sich auch massiv im Bereich der Personalentwicklung verbessern. Vor allem wenn kaum (geeigneten) Personen auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sind, müssen sich Unternehmen und deren Management auf die Ressourcen zurückgreifen, die sie zur Verfügung haben – nämlich das eigene Personal.

An der Qualität und der Quantität der Fachkräfte und der Personalentwicklung wird sich der Erfolg beziehungsweise der Misserfolg von Unternehmen widerspiegeln.

Statt – wie oben beschrieben – zu meckern, sollten sich Unternehmen und deren Management fragen, wie sie in den genannten Bereichen bessere Ergebnisse erzielen könn(t)en; anders ausgedrückt: man muss sich zuerst an die eigene Nase fassen. In welchen Bereichen muss sich Ihr Unternehmen (weiter) verbessern?

Erst wenn alles in der eigenen Macht stehende umgesetzt wurde und erst wenn zusätzlich externe Beratung eingeholt wurde und dann weiterhin eine große Fachkräftelücke besteht, erst dann ist die Zeit zu sagen: „wir finden einfach keine respektive zu wenige (geeignete) Leute“.

Elmar Stein
Elmar Stein promoviert derzeit im Bereich systemisch-strategisches Personalmanagement. Er hat einen amerikanischen Master in Human Resource Management (mit Schwerpunkt Organisationsstrategie) und ist Gymnasiallehrer (für Englisch und Politikwissenschaften). Er ist Absolvent der DAM im Lehrgang Geprüfte/r Personalmanager/in.
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