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22. Juni 2023 | von Elmar Stein

Passen Sie das Gehaltssystem regelmäßig an die Marktsituation an?

Personalentgeltsysteme haben vielfältige Funktionen. Sie müssen durchdacht, strukturiert, ziel- und wertorientiert, nachhaltig, für Mitarbeitende attraktiv und gerecht sowie für das Unternehmen rentabel sein. Diese verschiedenen Aspekte unter einen Hut zu bringen ist eine große Herausforderung und verständlicherweise kann man es nie allen recht machen, da sich einige im Vergleich zu anderen benachteiligt fühlen oder aber eine andere Zusammenstellung Ihres Gehalts und dessen Komponenten wünschen würden. Hiervon darf man sich als verantwortliche Person allerdings nur bedingt beeinflussen lassen.

Der langjährige Trend zeigt, dass von Pauschallöhnen beziehungsweise festen Monatslöhnen zunehmend abgesehen wird und andere Gehaltsmodelle in den Vordergrund rücken. Klassischerweise wird ein monatliches Grundgehalt und eine Zulage beziehungsweise ein Bonus bezahlt. Diese respektive dieser kann unterschiedlich ausfallen und muss an die Ziele, Vorstellungen und besonders an die Einnahmen des Unternehmens gekoppelt sein. Üblicherweise werden Boni für gute Leistungen, das Erreichen von Zielvorgaben oder Kennzahlen bezahlt. Voraussetzung für die Umsetzung eines bonus- beziehungsweise leistungsabhängigen Lohnmodells ist die Nutzung von Kennzahlen. Bei der Erstellung von Kennzahlen – vor allem – wenn mehrere gleichzeitig genutzt werden – muss die verhaltenssteuernde Wirkung berücksichtigt werden. Mitarbeitenden wird durch Kennzahlen normalerweise ein Anreiz gesetzt, sich anzustrengen um einen finanziellen Bonus zu erhalten. Vorausgesetzt, dass sich Mitarbeitende prinzipiell für ein solches Modell gewinnen lassen und darin einen Anreiz sehen, muss es für sie attraktiv sein. Sich (besonders) viel Stress zu machen um einen kleinen Bonus zu erhalten ist vergleichsweise unrentabel. Zudem werden Mitarbeitende ihr Verhalten und ihren Arbeitsaufwand nach den Kennzahlen ausrichten, die für sie am lukrativsten sind, worin die verhaltenssteuernde Wirkung begründet liegt. Da die Anreize der Mitarbeitenden sehr unterschiedlich sind, werden es verstärkt auch die Angebote der Unternehmen. Entwickelt werden oftmals so genannte Cafeteria-Systeme bei denen Mitarbeitende ihren Bonus unterschiedlich und nach individuellen Vorstellungen auswählen können.

Soweit so gut; aber haben Sie sich schon einmal darüber Gedanken gemacht, dass es auch Einflüsse von außen auf das Entgeltsystem gibt? Fallen Ihnen welche ein, und wenn ja welche?

Ein typisches Beispiel, welches bei diesen Systemen oft von Unternehmen beziehungsweise dem Management beim performance-based pay vergessen respektive unterlassen wird, ist die Anpassung an die gegebene aktuelle Marktsituation. Oftmals werden Entgeltsysteme einmal entwickelt und werden dann gar nicht oder nur sehr selten angepasst. Gerade aber bei (massiven) Veränderungen der Marktbedingungen, der Aufgaben und Herausforderungen sowie damit letztendlich die Erreichbarkeit von Kennzahlen muss hier stärker berücksichtigt werden. Sicherlich ergibt es beispielsweise im Vertrieb Sinn, den Bonus an den Umsatz zu koppeln und sicherlich ist dies auch beim Headhunting oder im Recruitingbereich sinnvoll. Wird jemand eingestellt und verbleibt eine gewisse Zeit im Unternehmen, so bekommt der Recruiter beziehungsweise die Recruiterin eine Provision, die sich normalerweise nach dem Gehalt der eingestellten Person richtet. Wenn das Gehaltssystem in normalen beziehungsweise in durchschnittlichen wirtschaftlichen Zeiten entwickelt wurde und sich die Situation nicht verschlechtert, ist dies für beide Seiten auch unproblematisch. Wird das System von Mitarbeitenden insgesamt als gerecht empfunden, so wird ein ausreichend großer Anreiz gesetzt. Wenn sich die Zeiten verbessern und Abschlüsse oder Vermittlungen von Personal leichter sind, besteht für beide Seiten weiterhin ein attraktives Angebot. Mitarbeitende können durch hohen Einsatz, Fleiß und Engagement einen ordentlichen Bonus verdienen. Bedacht werden muss hierbei allerdings, dass eine Erhöhung des Lohns durch einen höheren Bonus nicht für alle Mitarbeitenden gleichsam attraktiv ist. Es gibt auch Mitarbeitende, die beim Erreichen eines gewissen Gehaltes zufrieden sind und dann einen größeren Wert auf work-life balance legen beziehungsweise ihre Zeit gerne anders verbringen möchten als mit weiterer Arbeit. Dennoch ist es in wirtschaftlich (sehr) guten Zeiten so, dass Unternehmen mehr Umsatz machen und Mitarbeitende durch ein solches Gehaltssystem mehr verdienen (können). In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sieht es jedoch anders aus. Unternehmen verdienen hier natürlicherweise, wenn sie (besonders) betroffen sind, weniger. Es hat aber auch Auswirkungen für die Mitarbeitenden. Der Anreiz sich anzustrengen wird vergleichsweise stark negativ beeinflusst. Ein Beispiel: bei einem wirtschaftlichen Rückgang stellen Unternehmen weniger im schlimmsten Fall sogar gar kein Personal ein. Für Personalvermittler wird die Situation damit (sehr) deutlich erschwert. In einer solchen Situation eine oder zwei Personen zu vermitteln ist deutlich schwieriger als dieselbe Anzahl in (sehr) guten wirtschaftlichen Zeiten. Beispielsweisen mag die Vermittlung von ein bis zwei Personen ein genauso hohes Engagement, Einsatz und Fleiß erfordern wie die Vermittlung von 8 oder 9 Personen in wirtschaftlich guten Zeiten. Natürlich macht ein Unternehmen in wirtschaftlich schlechteren Zeiten und mit der Vermittlung von weniger Personen auch weniger Umsatz und hat damit weniger Spielraum für gleichbleibende Gehälter. Bei gleichbleibendem Einsatz, Engagement und Fleiß ist es in diesen Zeiten viel schwieriger Abschlüsse zu erzielen. Ist ein Verharren auf den alten Kennzahlen und den damit verbundenen leistungsabhängigen Vergütungen fair? Geht es nicht auch darum, den Einsatz, den Fleiß und das Engagement der Mitarbeitenden zu honorieren? Sollten die prozentualen Boni am Umsatz nicht erhöht werden? Hierbei geht es nicht darum, die kompletten Verluste auszugleichen, weil dies für das Unternehmen finanziell nicht tragbar ist, aber die Situation würde berücksichtigt und es würde ein weiterer Anreiz geschaffen.

Konsequenterweise müsste dann allerdings auch eine Anpassung erfolgen, wenn die wirtschaftlichen Zeiten sich wieder normalisieren oder es sich wieder sehr gute Zeiten einstellen. Problematisch ist hierbei die Findung des richtigen Zeitpunktes und die Anpassung der Höhe der Boni am Umsatz. Zudem ist auch die Kommunikation nicht einfach, vor allem, wenn eine Reduktion angestrebt wird.

Wie stehen Sie zu so einem Vorgehen? Finden Sie dieses prinzipiell gerecht? Welche Herausforderungen sehen Sie? Lassen sich damit Kündigungen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten (maßgeblich) reduzieren?

Elmar Stein
Elmar Stein promoviert derzeit im Bereich systemisch-strategisches Personalmanagement. Er hat einen amerikanischen Master in Human Resource Management (mit Schwerpunkt Organisationsstrategie) und ist Gymnasiallehrer (für Englisch und Politikwissenschaften). Er ist Absolvent der DAM im Lehrgang Geprüfte/r Personalmanager/in.
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