Die Vereinbarkeit von Work-Life-Balance und der Tätigkeit als Führungskraft (vor allem im oberen Bereich von Organisationsstrukturen) ist gelinde gesagt dem Wunschtraum deutlich näher als der Realität. Hierzu tragen vor allem die Arbeitszeit, die Arbeitsbelastung, der Arbeitsinhalt und die stetige Herausforderung jährlich oder gar quartalsweise bessere Zahlen zu liefern. Bereits heute arbeitet eine Vielzahl von Führungskräften deutlich mehr als 40 Stunden pro Woche. 60 Stunden oder mehr – auch verteilt über alle 7 Wochentage – sowie die ständige Erreichbarkeit und sogar Arbeiten im Urlaub verhindern nicht nur die Work-Life-Balance, sondern haben einen negativen Effekt auf das soziale Umfeld und rufen über einen längeren Zeitraum Stress und Krankheiten wie Burnout oder psychische Krankheiten hervor. Besonders in diesem Bereich lässt sich in den letzten Jahren eine deutliche Tendenz in der Entwicklung der Krankheitstage sowie auch der langfristigen Ausfälle und den damit verbundenen Auswirkungen für die Unternehmen beziffern. Zusätzlich zu den Kosten, die hierbei entstehen, führt besonders hoher Arbeitsdruck, eine besonders hohe Arbeitsbelastung – vor allem in Kombination mit Stress und mangelnder Erholungszeit – dazu, dass suboptimale Entscheidungen von Führungskräften getroffen werden, die zu einem Kostenzuwachs führen können. Sicherlich sind die Fähigkeiten – besonders von talentierten Führungskräften – nur schwer ersetzbar, beispielsweise durch job-sharing oder job-splitting (durch Einstellen einer weiteren Führungskraft). Unternehmen und vor allem Personalmanager/innen sollten daher auf die Arbeitszeiten und die Anzeichen achten, die darauf schließen lassen, dass Führungskräfte eine sehr schlechte Work-Life-Balance haben und versuchen, trotz aller berechtigten oder notwendigen Anforderungen, diese zu verbessern. Neben der ökonomischen Analyse einer stetigen Überlastung von Führungskräften, die eine gut ausgebildete Personalabteilung sogar mit Zahlen belegen kann, sollten Unternehmen und vor allem Personalmanager/innen ebenfalls ihre soziale Verantwortung gegenüber ihren Führungskräften bedenken. Hierbei sollte berücksichtigt werden, dass das Thema – trotz zunehmender Akzeptanz – immer noch häufig tabuisiert wird und hierdurch einem Entwicklungsverlauf nicht frühzeitig entgegengewirkt werden kann. Organisationen sollten daher zunächst eine Offenheit gegenüber dieser Problematik herstellen und das direkte Umfeld des bzw. der Betroffenen ermuntern, diese Problematik entweder direkt oder über die Personalabteilung anzusprechen, da das direkte Umfeld häufig den besten Einblick über die Entwicklung und den Zustand einer Person haben. Möglich wäre ebenfalls diese Problematik in die „Corporate Responsibility“ unter dem Aspekt Gesundheit der Belegschaft einfließen zu lassen.
Literaturempfehlung und teilweise Textgrundlage:
Claßen, M. & Kern, D. (2010). HR Business Partner. Die Spielemacher des Personalmanagements. Köln: Luchterhand
Elmar Stein