Noch vor ein paar Jahren schienen klassische Heldinnen und Helden nur noch wenig Platz in unserer Welt zu finden. Selbst in Filmen und Serien bekam das klare schwarz-weiß / Freund-Feind-Schema immer öfter Schattierungen. Doch spätestens mit Donald Trump sind heroische Figuren wieder zurück in der breiten Öffentlichkeit. Machtbewusst, von oben herab, ohne Rücksicht ziehen sie ihre Kreise. In einer Demokratie schien uns das in dieser Zuspitzung und Dramatik kaum vorstellbar. In einem anderen Bereich droht gerade jetzt – in Zeiten der Krise – ein vielfacher Rückfall in ähnlich heroische Führungsvorstellungen. In Unternehmen und Organisationen hält sich das Bild von rücksichtslosen, knallharten, meist männlichen Entscheidern. Zu gern inszenieren sich Firmenchefs als allwissende Gestalten, die ihre Organisationen furchtlos durch Krisen steuern.
Und zugegeben: das Bild hat auch seine verlockenden Seiten. Wenn, wie aktuell, vieles in Frage steht; wenn Aufträge und Arbeitsplätze unsicher sind; wenn Entscheidungen in Unsicherheit getroffen und Risiken eingegangen werden müssen, ist die Bühne wie gemacht für heroische Führungsfiguren, die leichtfertig Orientierung und Handlungsfähigkeit versprechen. Aber die Vermutung liegt nahe, dass die Motivation der alternativlosen Entscheidungen eher darin begründet liegt, bestehende Machtstrukturen weiter festzuzurren. Das Problem an diesem Konzept von Führung ist, dass es die Komplexität unserer Zeit nicht ernst nimmt. Es geht davon aus, dass Organisationen wie Maschinen beherrschbar sind, dass einmal festgesetzte Ziele mit klarer Planung und klaren Hierarchien zu erreichen sind. Am Ende steht Sieg oder Niederlage. Wie die bisherigen Folgen der Reihe ja bereits immer wieder gezeigt haben, sind Organisationen und ihre Umwelt viel zu komplex und unsicher, als dass eine solche Vorstellung der Realität besonders nahekommt. Die Folgen davon kann man auch aktuell beobachten. Wenn Führungskräfte Perfektionismus vorspielen und scheinbar auf alle offenen Fragen bereits Antworten kennen, deren Umsetzung sie streng kontrollieren, führt das nicht selten zu Frustration und Chaos bei allen anderen im Team. Denn eines ist doch inzwischen den meisten ohnehin klar: viele Fragen sind gerade offen und die Unsicherheit wird bleiben. Daher ist es viel transparenter und motivierender, wenn Führungskräfte nicht auf ihren starken Positionen beharren und stattdessen ihre Unsicherheit zeigen und einen gemeinschaftlichen Prozess für Überlegungen und Entscheidungen anregen.
Der Soziologe Dirk Baecker hat als Gegenüberstellung zu heroischer Führung den Begriff der postheroischen Führung geprägt. Postheroische Führung ist sich der Komplexität sowohl der Organisation als sozialem Gefüge als auch der Unsicherheit und Komplexität der sie umgebenden Umwelt bewusst. Postheroische Führung kennt die eigenen Grenzen und Führung besteht dann darin Prozesse zu moderieren und Entscheidungsstrukturen zu entwickeln, die die breite Kompetenz des Teams mit einbeziehen. Gleichzeitig beobachtet postheroische Führung die getroffenen Entscheidungen und stellt sie wenn nötig wieder zur Debatte anstatt sie rücksichtslos durchzuboxen. Das heißt allerdings nicht, dass postheroische Führung ohne Hierarchie auskommt. Im Gegenteil wissen postheroische Führungskräfte, dass trotz aller Einbindung und Motivation von Mitarbeiter*innen immer auch Konflikte auftauchen. Und spätestens dann können klare Entscheidungen auf Grundlage vorab festgelegter Strukturen helfen, Konflikte so zu lösen, dass sie nicht auf allzu persönlicher Ebene ausgehandelt werden müssen. Wie Dirk Baecker so schön schreibt: Postheroische Führungskräfte werden zu Widerspruchskünstler*innen in Organisationen. Sie wissen um die vielfältigen Widersprüche und geben nicht vor, dass es sie nicht gebe.
Zum Weiterlesen:
Dirk Baecker (2015): Postheroische Führung. Vom Rechnen mit Komplexität, Springer Gabler.
Julian Stahl, Doktorand am WÜRTH Chair of Cultural Production an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen und Leiter der Digitalsparte von PODIUM Esslingen