In den ersten beiden Folgen habe ich Ihnen vorgestellt, warum es aus meiner Sicht notwendig ist, den digitalen Wandel als gesellschaftlichen Wandel zu verstehen und nicht nur als technologische Entwicklung. Aufbauend darauf habe ich Ihnen fünf Fragen vorgestellt, die es sich mit Blick auf die eigene Organisation zu stellen lohnt. Eine davon hat auf die Wichtigkeit der Arbeitsatmosphäre und die Offenheit für Experimente hingewiesen. Und genau darum geht es auch in dieser Folge.
Stellen Sie sich vor Sie beginnen einen neuen Job in einer Organisation ihrer Wahl. Sie starten voller Motivation, mit neuen Ideen und einer Menge Energie. Allerdings merken Sie schon nach kurzer Zeit, wie Sie sanft abgebremst werden. Mit Sätzen wie „das machen wir hier aber schon immer so“ oder dem Verweis auf bestehende Hierarchien und Kommunikationswege wird die anfängliche Offenheit und Neugierde oft schnell minimiert. Und da natürlich niemand gleich zu Beginn gerne negativ auffällt, halten Sie sich wahrscheinlich erstmal zurück. Wer will schon unangenehm auffallen, sei es durch übermäßiges Nachfragen oder Überengagement?
Das führt aber zu dem Problem, dass ein Gefühl der Unsicherheit entsteht und Mitarbeiter*innen sich nicht mehr trauen offen Ihre Ideen, Fragen und Meinungen zu äußern. Aber gerade dann, wenn wir auf viele Perspektiven angewiesen sind, wenn Veränderung anstehen, wenn Innovation gefragt ist, spätestens dann braucht es die Stimmen aller im Team. So zum Beispiel auch, wenn wir uns den Herausforderungen des digitalen Wandels als gesamte Organisation stellen wollen. In einer solch unsicheren Situation, in der niemand alleine wissen kann, wohin der Weg führt, ist es entscheidend, dass Unsicherheit zugelassen wird, Fragen gestellt werden und alle ihre Ideen äußern können – unabhängig von Hierarchie und Erfahrung.
In der Managementforschung wird dieses Thema unter dem Stichwort Psychological Safety betrachtet. Die Managementforscherin Amy Edmondson fasst das Konzept folgendermaßen zusammen:
„Psychological Safety is a belief that one will not be punished or humiliated for speaking up with ideas, questions, concerns, or mistakes.“
Wenn Sie sich jetzt fragen, wie Sie für mehr Psychological Safety in Ihrer Organisation sorgen können, gibt Amy Edmondson drei Ratschläge, die sich schnell und einfach umsetzen lassen. Erstens machen Sie immer wieder klar, dass die Herausforderungen für alle neu sind, niemand genau weiß, welcher Weg der richtige ist und Sie daher alle aufeinander angewiesen sind. Zeigen Sie, zweitens, dass auch Sie im Experimentieren Fehler machen und tauschen Sie sich über ihre Erfahrungen und Misserfolge aus. Und drittens, fragen Sie nach. Der beste Weg, ihre Kolleg*innen zum Nachfragen zu ermutigen, ist es selber Fragen zu stellen. Zeigen Sie ihr Interesse und Ihre Neugierde an anderen Perspektiven. Es gibt dazu auch einen tollen TED Talk von Amy Edmondson, den wir natürlich in den Shownotes verlinken.
Falls Sie noch skeptisch sind, ob Psychological Safety tatsächlich einen Unterschied machen kann, ist abschließend vielleicht noch eine aufwendige Studie von Google interessant. Google wollte wissen, warum manche ihrer Teams erfolgreicher sind als andere. Es gab viele Vermutungen, zum Beispiel, dass einzelne Teammitglieder besonders klug oder motiviert sind, umso größer die Überraschung in der Analyse: der stärkste Faktor, mit dem besonders erfolgreiche von weniger erfolgreichen Teams unterschieden werden konnte war – Sie ahnen es natürlich schon: Psychological Safety.
Link zum TED-Talk:
- Building a psychologically safe workplace | Amy Edmondson | TEDxHGSE, www.youtube.com/watch?v=LhoLuui9gX8 , letzter Zugriff am 23.06.2020.
Infos zur Google-Studie:
- Guide: Understand team effectiveness, rework.withgoogle.com/print/guides/5721312655835136/ , letzter Zugriff am 23.06.2020.
- Charles Duhigg (2016): What Google Learned From Its Quest to Build the Perfect Team. – In: The New York Times Magazine, www.nytimes.com/2016/02/28/magazine/whatgoogle-learned-from-its-quest-to-build-the-perfect-team.html , letzter Zugriff am 23.06.2020.
Julian Stahl, Doktorand am WÜRTH Chair of Cultural Production an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen und Leiter der Digitalsparte von PODIUM Esslingen