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15. Dezember 2022 | von Elmar Stein

Reisende soll man nicht aufhalten oder wie man im Vorfeld Personalabgänge reduzieren kann

 

Das Sprichwort „Reisende kann man nicht aufhalten“ ist Ihnen sicherlich bekannt. Es drückt aus, dass man Personen nicht davon abbringen kann ihre Ziele zu verfolgen. Oder anders, wenn jemand gehen möchte, dann kann man diese Person auch nicht daran hindern. Dieses Sprichwort trifft jedoch nicht nur auf den privaten, sondern auch auf den beruflichen Bereich zu. In manchen Situationen muss man als Unternehmen anerkennen, dass man bestimmtes Personal einfach nicht im Unternehmen halten kann. Dies kann verschiedene Gründe haben. Beispielsweise kann es sein, dass man Personen (derzeit und oder absehbar) keine Entwicklungs- und Karrierechancen bieten kann. Ebenso kann es sein, dass Mitarbeitende ein finanziell deutlich besseres Angebot eines anderen Unternehmens bekommen, mit dem man als Arbeitgeber einfach nicht mitgehen kann. Möglich ist auch, dass Mitarbeitende mit der individuellen Situation im Unternehmen einfach nicht zufrieden sind oder sie sich die bisherige und zukünftige Entwicklung anders vorgestellt haben und es aus ihrer Sicht einfach mit der weiteren Zusammenarbeit nicht passt. Sicherlich kann es aus der Sicht des Unternehmens in der Situation auch so sein, dass dies von Seiten des Managements genauso gesehen wird. Ist dies jedoch nicht der Fall und soll ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin im Unternehmen gehalten werden, dann stellt dieser Zeitpunkt bereits eine größere Herausforderung. In einem Sprichwort ausgedrückt: „zu diesem Zeitpunkt ist das Kind schon in den Brunnen gefallen“. Das Unternehmen und das Management müssen hier früher ansetzen um diese Entwicklung und Situation zu verhindern.

Möglich ist dies durch Achtsamkeit und Aufmerksamkeit. Das Management und vor allem Führungskräfte müssen bei anfänglich zufriedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Veränderungen in deren Einstellung, Engagement und Arbeitsverhalten achten. Dies ist in den meisten Fällen nicht so leicht, denn Veränderungen, Unzufriedenheit und sich ändernde Einstellungen und eine geringere Motivation sind in den seltensten Fällen von heute auf morgen bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anders. Im Normalfall bzw. in den allermeisten Fällen ist diese Entwicklung ein schleichender Prozess der sich über einen längeren Zeitraum weiterentwickelt. Dies macht es für Führungskräfte einerseits schwerer diesen zu erkennen. Andererseits gibt es Führungskräften aber die Möglichkeit genug Zeit zu haben einzugreifen und den Ursachen, Gründe, Folgen und Auswirkungen entgegenzuwirken. Hierfür müssen Führungskräfte aber die Anzeichen erkennen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem solchen Prozess typischerweise haben.

Zunächst sollen Führungskräfte auch auf Kleinigkeiten achten. Dies kann beispielsweise sein, dass Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter verstärkt zu spät kommen oder früher gehen. Andere Beispiele können sein, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich langsamer arbeiten als zuvor oder aber den Eindruck erwecken von ihrer Arbeit zunehmend gelangweilter zu sein. Auch die Art und Weise wie sie sich über das Unternehmen und bzw. oder Kolleginnen und Kollegen äußern kann ein Indiz dafür sein, dass eine Person unzufriedener wird. Sicherlich können diese sichtbaren Eindrücke verschiedene Ursachen haben. Eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter der in der letzten Zeit häufiger ein paar Minuten zu spät zur Arbeit kommt kann auch Veränderungen im Familienleben haben, die dazu führen, dass er oder sie es morgens nicht immer pünktlich zur Arbeit kommt. Ein kleines Kind, welches in den Kindergarten oder in die Schule gebracht wird, braucht mal mehr und mal weniger Zeit. Die lässt sich aber in einem persönlichen Gespräch klären und auch sind in den meisten Fälle Lösungen hierfür zu finden. Dies können Führungskräfte aber nur herausfinden, wenn sie mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch sprechen – und zwar rechtzeitig. Ist ein Prozess erst mal im Gange in den sich eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter zunehmend unwohl fühlt, dann ist dieser anfänglich noch leichter durch Gespräche aufzuhalten. Weder als Führungskraft noch als Unternehmen sollten Sie aber die Illusion haben, dass eine frühe Kenntnis eines schleichenden negativen Prozesses durch frühzeitiges Eingreifen zu einer Verhinderung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt. Manchmal passt es einfach von Seiten der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters nicht – auch wenn sich das Unternehmen bemüht. Und dann gilt es auch auf Seiten des Unternehmens die Einsicht zu haben: Reisende soll man nicht aufhalten.

Elmar Stein
Elmar Stein promoviert derzeit im Bereich systemisch-strategisches Personalmanagement. Er hat einen amerikanischen Master in Human Resource Management (mit Schwerpunkt Organisationsstrategie) und ist Gymnasiallehrer (für Englisch und Politikwissenschaften). Er ist Absolvent der DAM im Lehrgang Geprüfte/r Personalmanager/in.
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