Der Begriff der Resilienz mag einigen Lesern und Leserinnen aus der Psychologie bekannt sein. Menschen entwickeln über das Leben hinweg eine mehr oder weniger stark ausgeprägte psychische Widerstandsfähigkeit, die es ermöglicht, Krisen nicht nur durchzustehen, sondern daraus auch gestärkt hervorzugehen. Es dürfte klar sein, dass das Überwinden solcher Ausnahmesituationen oder -perioden eine gewisse Vorbereitung erfordert. Für Individuen bedeutet das sicherlich eine gesunde Lebensführung, positive Einstellung oder weitere stärkende Maßnahmen. Damit ist die Prävention angesprochen.
Für Unternehmen gilt das auch. In der Vergangenheit wurde leider viel zu häufig eine Trennung zwischen den Erfolgsbereichen wie dem Verkauf oder der Forschungs- und Entwicklung und den Schutzfunktionen wie dem Sicherheits- und Risikomanagement vorgenommen. Tatsächlich aber liegt der eigentliche Vorteil in einer integrativen Sichtweise.
Die Autoren Aghina et al. (2016, S. 63) sprechen davon, dass eine organisationsweite Agilität immer zusammen mit einer Stabilität existiert. Eine wahrhaft agile Organisation kombiniert dynamische Eigenschaften wie die Innovationsfähigkeit mit einem stabilen Rückgrat wie dem Kostenbewusstsein und bildet dadurch ein erfolgversprechendes Modell in ruhigen wie stürmischen Zeiten.
Ein resilientes Unternehmen nutzt die finanziellen, technischen und sozialen Ressourcen, um zusammen mit den Nebenbedingungen von Flexibilität, Verlässlichkeit und Effizienz Fähigkeiten und Kompetenzen langfristig aufzubauen. Herausforderungen werden proaktiv gemanagt und Chancen entsprechend genutzt (vgl. Tengblad und Oudhuis, 2018a, S. 8). Die organisationale Resilienz ist als ein umfassender Problemlösungsansatz zu sehen, der die Prozesse, die Fähigkeiten, die Ressourcen und die Dynamiken sowie die Überlebensfähigkeit in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt (vgl. Tengblad und Oudhuis, 2018b, S. 235). Das Konzept einer organisationalen Resilienz geht weiter als die Ansätze zum Risiko- und Sicherheitsmanagement, da ein stärkerer Bezug zur Chancenseite und zum proaktiven Handeln hergestellt wird. Dieser Argumentation folgen Burnard und Bhamra (2011, S. 5587) und definieren Resilienz wie folgt: „[T]he emergent property of organizational systems that relates to the inherent and adaptive qualities and capabilities that enable an organization’s adaptive capacity during turbulent periods.“
Aktuell ist die Geschäftstätigkeit vieler Unternehmen von den sogenannten VUCA-Faktoren geprägt. Diese stehen für Volatilität (engl.: Volatility), Unsicherheit (engl.: Uncertainty), Komplexität (engl.: Complexity) und Mehrdeutigkeit (engl.: Ambuity). Sofern eine flexible Anpassungsfähigkeit gegenüber vielen verschiedenen Situationen entwickelt wurde und eine Widerstandsfähigkeit bzw. Stärkung gegenüber Krisensituationen existiert, kann eine Organisation angemessen damit umgehen.
Insofern bildet das Konzept der Resilienz für den individuellen wie den organisatorischen Fall gleichermaßen eine Vorsorge dar. Jede Führungskraft, die entsprechenden Investitionen eher skeptisch gegenübersteht, wird spätestens im konkreten Fall erkennen, dass Prävention im Vergleich zur Schadensbegrenzung wesentlich günstiger ist.
Prof. Dr. Dirk Drechsler ist Autor mehrere Studienbriefe der DAM u.a. zu Corporate Governance und Unternehmensethik, Risikomangement, Compliance-Management-Systeme
Literatur:
- Aghina, W., De Smet, A., Weerda, K. (2016), Agility: It rhymes with stability, in: McKinsey & Company (Hrsg.), Organizing for the Future, McKinsey Quarterly, No. 1, https://www.mckinsey.com/quarterly/the-magazine/2016-issue-1-mckinsey-quarterly, abgerufen am 19.08.2019.
- Burnard, K., Bhamra, R. (2011), Organisational Resilience: development of a conceptual framework for organisational responses, International Journal of Production Research, Vol. 49, No. 18, S. 5581–5599.
- Tengblad, S., Oudhuis, M. (2018a), Organization Resilience: What Makes Companies and Organizations Sustainable?, in: Tengblad, S., Oudhuis, M. (Hrsg.), The Resilience Framework, Organizing for Sustained Viability, Springer, Singapur, S. 3–18.
- Tengblad, S., Oudhuis, M. (2018b), Conclusions: The Resilience Framework Summarized, in Tengblad, S., Oudhuis, M. (Hrsg.), The Resilience Framework, Organizing for Sustained Viability, Springer, Singapur, S. 233–248.