Vertrauen ist ein zentraler Bestandteil unseres Lebens und spielt damit auch eine entscheidende Rolle im Konsumalltag. Aus Sicht des Marketings, das sich immer mehr von einem Transaktionsmarketing in Richtung Beziehungsmarketing entwickelt bzw. entwickeln soll, ist das Vertrauen des Kunden der zentrale Erfolgsfaktor. Der Aufbau und die Pflege einer möglichst langen und erfolgreichen Kundenbeziehung (Kundenbindung) basiert letztlich immer auf Vertrauen und Vertrauen beeinflusst damit auch entscheidend die Kundenzufriedenheit.
Für viele Unternehmen, die in anonymen Massenmärkten agieren, ist der Aufbau von Vertrauen schwer umzusetzen und vor allem zeit- und kostenintensiv. In der Regel geschieht das durch das Kreieren einer möglichst starken Marke. Da jährlich tausende von Marken aufgebaut werden, nimmt hier der Wettbewerbsdruck auf die Unternehmen ständig zu. Gleichzeitig erhöht sich aber auch der Druck auf den Konsumenten, der sich Orientierung und Transparenz im Konsumdschungel wünscht; durch die Markenvielfalt aber eher frustriert wird.
Vor diesem Hintergrund bietet sich gerade für Dienstleistungsunternehmen gegenüber klassischen Produktunternehmen die Chance, ständig Vertrauen zu generieren und das sehr häufig ohne großen materiellen Aufwand. Dienstleistungen werden in der Regel am Kunden vorgenommen und setzen auch die Mitarbeit des Kunden voraus. In diesen Augenblicken des persönlichen Kontaktes – was typisch für das Dienstleistungsmarketing ist – entsteht das, was die Marketingwissenschaft als eine hohe Beziehungsqualität bezeichnet. Der Rohstoff dafür ist das Vertrauen!
Viele Unternehmen versuchen eine Kundenbindung zu erreichen, indem sie sogenannte Wechselbarrieren aufbauen. Das kann durch vertragliche Bindungen (Jahresvertrag im Fitnessstudio) geschehen oder auch durch die Gebundenheit an ein technisches System (Apple). Besser wäre es, den Kunden emotional zu binden. In diesem Fall spricht man nicht mehr von Gebundenheit, sondern von Verbundenheit. In diesem Begriff kommt zum Ausdruck, dass der Kunde sich „freiwillig“ bindet und nicht durch Verträge. Euphorisch könnte man sagen, dass aus dem Kunden ein Fan geworden ist. Das soll nicht heißen, dass man im Geschäftsleben auf Verträge verzichten soll oder kann.
Vertrauen ist ein sehr komplexer Begriff und das spiegelt sich dann auch in den unterschiedlichen Arten des Vertrauens wider. Beim generalisierten Vertrauen spricht man von der grundsätzlichen Vertrauensbereitschaft in die Glaubwürdigkeit eines Partners, der in seinem Verhalten Wohlwollen, Wertschätzung und Problemlösungsfähigkeit zeigt. Mit spezifischem Vertrauen meint man, dass sich Vertrauen aus einer speziellen Situation im Geschäftsleben entwickeln kann. Beispielsweise wird dem Kunden in einer ganz bestimmten Notlage geholfen. Das Systemvertrauen beschreibt das Vertrauen in eine Organisation oder in das Bild, das man sich von dieser Organisation macht.
So gesehen bietet das Vertrauen des Kunden die entscheidende Basis für seine Wiederkäufe, für Cross-Buying, für Up-Selling, für Weiterempfehlungen und auch für die Akzeptanz möglicher Preiserhöhungen.
Prof. Dr. Ulrich Wicher ist Autor des Studienbriefs 3265 Dienstleistungsmarketing
Quelle: Vgl. Bruhn, M. (2015), Relationship Marketing, München, S. 89 ff.