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19. Januar 2023 | von Elmar Stein

Waren Sie auf den Krisenmodus vorbereitet?

Der Angriffskrieg auf die Ukraine war eine Zeitenwende für die Weltwirtschaft und vor allem für Europa. Die europäische und die weltweite Friedensordnung wurde massiv beeinträchtigt. Die Folgen gehen weit über das Leid der Menschen in der Ukraine hinaus, sowohl militärisch als auch wirtschaftlich. Die Folgen sind nicht nur in Europa, sondern weltweit spürbar und vielfältig. Nicht nur Privatpersonen, sondern auch Unternehmen und deren Management müssen sich mit einer plötzlichen und stetigen Veränderung der wirtschaftlichen Lage auseinandersetzen. Dies erfordert eine konstante Reaktion auf die sich verändernden Bedingungen und setzt eine kontinuierliche Planung der Anpassungsreaktion voraus. Auch vorherige Krisen kamen plötzlich und mussten durch Planung gemeistert werden. Diese Krise ist allerdings anders als vorherige Krisen. Zunächst einmal funktionieren die Ansätze der letzten wirtschaftlichen Krisen nur bedingt, weil diese unter einer anderen Voraussetzung standen, beispielsweise die Finanzkrise von 2008 / 2009 und die Coronakrise seit 2020.

Gemein haben die Krisen, dass ein massiver wirtschaftlicher Rückgang Fakt ist. Auch die Verfügbarkeit von Dienstleistungen und Waren scheint auf den ersten Blick eine Gemeinsamkeit zwischen der Coronakrise und dem Krieg in der Ukraine mit seinen Folgen zu sein. Vergleichbar sind diese aber nur bedingt. Einen massiven Unterschied machen die enorm gestiegenen Energiepreise in Kombination mit der sehr hohen Inflation – wobei ersteres massiv zu letzterem beiträgt. Bei derzeit zunächst keinen Lohnsteigerungen – die jedoch bestimmt nachgeholt werden – müssen massive Kaufkraftverluste hingenommen werden. Zudem erweitert sich der Kreis der Personen massiv, die mit ihrem Gehalt gerade so noch auskommen. Vor allem auch die Unsicherheit über die kommenden Gas- und Stromrechnungen lassen Verbraucherinnen und Verbraucher zusätzlich an vielen weiteren Stellen sparen.

Auch wenn diese Krise und deren Folgen besonders herausfordernd sind, so müssen sich Unternehmen und deren Management noch gezielter an die Situation anpassen und sich bestmöglich für die nahe Zukunft vorbereiten. Das Management muss sich mit vielen Fragen auseinandersetzen und dazu viel mehr Prognosen aufstellen als in anderen Krisen. Zunächst gilt es zwischen der Angebotsseite und der Nachfrageseite zu differenzieren. Beim Angebot muss in diesen Zeiten zunächst einmal die Verfügbarkeit von Waren und Dienstleistungen analysiert werden. Dies trifft vor allem auf Unternehmen zu, die mit Vorprodukten arbeiten, die sie selbst nicht herstellen (können) oder die von Rohstofflieferungen abhängig sind. Anschließend muss nicht nur die verfügbare Menge, sondern auch die möglichen Preise und deren Schwankungen berücksichtigt werden. Vor allem hohe Preisschwankungen erhöhen das Risiko wirtschaftlichen Handelns und erschweren die Planbarkeit. Berücksichtigt werden müssen auch die gegebenenfalls stark ins Gewicht fallenden Transportkosten durch hohe Benzinpreise. Schwer zu berücksichtigen sind auch die von der Politik beschlossenen Hilfspakete, die eine Anpassung immer wieder – auch kurzfristig – notwendig werden lassen.

Nach der Angebotsseite und einer groben, weil sehr schwer einzuschätzenden Preisfindung, ist auch die Nachfrageseite in dieser Situation besonders zu betrachten. Zunächst einmal muss eingeschätzt werden, inwieweit die Inflation das Kaufinteresse und die Kauffähigkeit der Kundinnen und Kunden weiterhin vorhanden ist. Im Kern geht es um die Frage: Inwieweit werden Kundinnen und Kunden aufgrund der oben genannten Situation auf unsere Dienstleistungen und Waren auf Grund der höheren Preise insgesamt verzichten müssen? Die Antwort auf diese Frage sieht bei vielen Branchen aber auch bei einzelnen Produkten einiger Branchen sehr unterschiedlich aus; so verzichten beispielsweise im Bereich der Lebensmittel viele auf teure Fleischprodukte und greifen entweder zu billigerem Fleisch oder verzichten in einem sehr großen Maße; wohingegen günstigere Gerichte wohl häufiger auf den Tellern landen. Einige Branchen sind dabei auch stärker als andere betroffen; weil man auf deren Waren und Dienstleistungen eher verzichten kann; beispielsweise der Tourismus, Restaurantbesuche und vieles andere mehr. Abhängig ist dies vor allem aber auch von der weiteren Entwicklung der Inflation, vor allem aber von dem Teilbereich, der die Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs betrifft, weil dies massive Auswirkungen hat auf das restliche verfügbare Einkommen und die damit verbundene verbleibende Kaufkraft.

Zusammenfassend muss das Management von Unternehmen die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf Angebots- und Nachfrageseite kontinuierlich gezielt analysieren und dabei auch massiv auf die Preisgestaltung achten. Nicht jede Preissteigerung kann einfach an die Kunden weitergegeben werden. Möglicherweise ist es für viele Unternehmen ratsam, massive Rückschläge beim Gewinn in Kauf zu nehmen um überhaupt auf dem Markt bestehen zu können und einen noch ausreichenden Umsatz zu generieren, der es dem Unternehmen ermöglicht bestehen und durch die Krise kommen zu können. Ein schnelles Ende dieser Krise ist wohl leider nicht zu erwarten, auch wenn es nicht nur für die wirtschaftlichen, sondern auch für die Ukraine besonders wünschenswert wäre.

Elmar Stein
Elmar Stein promoviert derzeit im Bereich systemisch-strategisches Personalmanagement. Er hat einen amerikanischen Master in Human Resource Management (mit Schwerpunkt Organisationsstrategie) und ist Gymnasiallehrer (für Englisch und Politikwissenschaften). Er ist Absolvent der DAM im Lehrgang Geprüfte/r Personalmanager/in.
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