Ein Zeichen setzen für Qualität, Glück und Verantwortung, vor dieser Aufgabe steht das Marketing vieler Unternehmen. Gefragt sind Zeichen die man wiedererkennt, die attraktiv und dabei glaubwürdig erscheinen, hierüber kaufentscheidend wirken und Zahlungsbereitschaft auf Dauer erhöhen.
„Was darfs denn sein – Graffito oder Tätowierung?“ Diese Frage mag verwundern. Wer jedoch den Erfolg im Zeichensetzen sucht, kommt an Graffiti-Sprayern und Tätowierern kaum vorbei. Zu deutlich prägen diese Gruppen die Alltagskultur der Gegenwart, ohne dabei auf die Werbebudgets der großen Marken-Produzenten und Branding-Agenturen zurückzugreifen.
Geheimnisvolle Kürzel (Tags) und Bilder (Pieces) auf Wände und Waggons gesprayt, haben sich seit den 70er Jahren über die ganze Welt verbreitet. Je nach Standpunkt werden sie als Straßenkunst oder Sachbeschädigung wahrgenommen. Sprayer verbreiten ihre Motive an möglichst vielen Orten und suchen so nach Aufmerksamkeit, wollen als Phantom bekannt werden und ihre Zeichen mit jedem Zug vorbeifahren sehen (Stahl 1989, 46f.). Einigen Sprayern gelingt es so, aus der Deckung heraus ein Image aufzubauen, dessen Strahlkraft von den Straßengangs bis in die bürgerliche Gesellschaft hineinreicht. Die Geschichte ihrer künstlerischen Tätigkeit wird schließlich zum Mythos, der ihren Wirkungsstätten Aura und Wert verliehen hat (vgl. Lindemann 2008).
Das Verbreitungsprinzip der Graffiti hat in Unternehmen Nachahmer gefunden, die seit den 80er Jahren Produkte gezielt durch ein so genanntes „Guerilla-Marketing“ unter die Leute bringen. Vor allem kleinen und mittleren Unternehmen wird empfohlen, der Marktmacht und den Werbebudgets von Großunternehmen mit Guerilla-Taktiken zu begegnen (vgl. Levinson, 1990). Anstatt teure Kampagnen über konventionelle Kanäle zu führen, sollten Werbebotschaften mit niedrigen Kosten möglichst unkonventionell im öffentlichen und privaten Raum platziert werden – dort wo man kommerzielle Werbung nicht erwartet, aber Neugierde zeigt und Aufmerksamkeit schenkt. Einer Aufsehen erregenden Botschaft schließt sich idealerweise die Mundpropaganda als kostenlose Werbeform an.
Bei einigen Aktionen bleibt bis zuletzt unklar, ob sie vom Unternehmen so geplant waren, zufällig entstanden oder sich verselbständigt haben, wie etwa bei der Verbreitung der im Auftrag von Johnny Walker entwickelten „Moorhuhn-Spiele“ (vgl. Bernstorff, 2002). Die Verbreitung der Moorhühner über das Internet markiert zugleich den Sprung vom Guerilla-Marketing zum viralen Marketing. Vom Begriff „Virus“ herkommend, beruht dieser Ansatz auf der Idee, Bilder und Geschichten über Produkte so verblüffend zu entwerfen, dass sie sich mit Hilfe einer virtuellen Mundpropaganda wie ein Virus über das Social Web verbreiten.
Literatur:
Bernstorff, J.v. (2002): „Wir wollten das Moorhuhn in der Schublade verschwinden lassen“, http://www.vm-people.de/de/vmknowledge/¬interviews/interviews-_detail.php?id=4 (11.03.11).
Levinson, J. (1990): Guerilla Marketing: offensives Werben und Verkaufen für kleinere Unternehmen. Frankfurt am Main: OV.
Lindemann, T. (2008): Die Jagd nach Graffiti-Star Bansky, Die Welt 16.07.2008, www.welt.de/kultur/article2218841/¬Die_¬Jagd_nach_Graffiti_Star_Banksy.html. (10.03.11).
Stahl, J. (1989): An der Wand: Graffiti zwischen Anarchie und Galerie. Köln: Dumont.