Mit neurowissenschaftlichen Methoden ist es heute möglich, die menschliche Hirnaktivität bei der Lösung von Aufgaben zu messen. Dabei wird festgestellt, welche Hirnareale zur Lösung bestimmter Aufgaben beitragen, die dann wiederum Rückschlüsse auf die Wahrnehmung, das Denken und Fühlen geben. Die Neurowissenschaft kann also zum einen erklären, wie sich erfolgreiche von weniger erfolgreichen Führungskräften unterscheiden und wie sich deren Einflussnahme bei den Geführten auswirkt, da die Führungskräfte unterschiedliche neurophysiologische Aktivierungen bei Dritten auslösen, die je nach Qualität der Beziehungen zwischen Führungskraft und Mitarbeitern förderlich oder hinderlich sein können. Zum anderen lässt sich auch feststellen, welche neurophysiologischen Aktivitäten den Führungskompetenzen zugrunde liegen. Dabei wird der empathischen Perspektivenübernahme und dem gezielten Aufbau vertrauensvoller Beziehungen große Bedeutung beigemessen (vgl. Bergner / Rybnicek, 2015 in: Felfe, J. (Hrsg.), S. 543 – 565).
Neuroleadership (erstmals 2006 von Rock und Schwartz geprägt) versucht nun, die Erkenntnisse der Hirnforschung auf Führungstheorien zu übertragen. Von besonderer Relevanz für Leadership sind das Belohnungssystem und die Plastizität des Gehirns. Mit ersterem ist ein Mechanismus im Gehirn gemeint, der bei Aktivierung Glückshormone ausschüttet. Diese Aktivierung verläuft sehr individuell, so wirken für manche Menschen monetäre Anreize belohnend, während für andere soziale Anerkennung oder Lob aktivierend ist. Plastizität des Gehirns bedeutet, dass sich die Nervenzellen im Gehirn durch neue Verschaltungen lebenslang verändern können. Das Sprichwort „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ ist hiermit widerlegt. Auf die Personalführung übertragen heißt das: wenn Sie es schaffen, das Belohnungssystem Ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu aktivieren, können diese stets dazulernen. Als erfolgreicher Neuroleader sollten Sie folglich Rahmenbedingungen schaffen, bei denen sich die Mitarbeiter wohlfühlen und ihr ganzes Potenzial entfalten können. Die Herausforderung besteht also darin, die Ängste, Erwartungen und Wünsche Ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen herauszufinden und dafür zu sorgen, dass die vier neurowissenschaftlichen Grundbedürfnisse befriedigt werden (vgl. Peters 2015, S. 61ff.).
Mit Hilfe folgender Grafik erhalten Sie eine gute Übersicht, mit welchen Maßnahmen den neurobiologischen Grundbedürfnissen im Arbeitsalltag am besten entsprochen wird:
Die Verbindung von Neurowissenschaft und Führung hat gerade erst begonnen und es entwickelt sich ein vielfältiges Forschungsareal mit unterschiedlichen Konzepten zur Umsetzung von Neuroleadership.
Ottilie Barth
Quellen:
Peters, T. (2015): Leadership: Traditionelle und moderne Konzepte. Mit vielen Beispielen.Wiesbaden: Springer Gabler.
Bergner, S. / Rybnicek, R. (2015): Führungsforschung aus neurowissenschaftlicher Sicht. In: Felfe, J. (Hrsg.): Trends der psychologischen Führungsforschung: neue Konzepte, Methoden und Erkenntnisse. Göttingen: Hogrefe, S. 543 – 565.
Vertiefend zum menschlichen Gehirn im Kontext der Neurowissenschaften: Schweizer, K. (2015): Neuroleadership. Fremd- und Selbsteinschätzung des Führungskräfteverhaltens in einem mittelständischen Unternehmen. Wiesbaden: Springer Gabler, S. 6 – 9.
Weiterführend: Peters, T. / Ghadiri, A. (2013): Neuroleadership – Grundlagen, Konzepte, Beispiele. Erkenntnisse der Neurowissenschaften für die Mitarbeiterführung. Wiesbaden: Springer Gabler.