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18. Mai 2017 | von Dr. Andrea Herrmann

Wie Sie kreativ innovative Produkte entwerfen

Stellen Sie sich vor, Ihr Chef hat Ihnen die Aufgabe gestellt, das Telefon neu zu erfinden. Wie? Neu erfinden?
Laut Kano-Modell (vgl. Kano 1984) muss ein Produkt auf jeden Fall alle Basismerkmale erfüllen. Das sind die Eigenschaften, die alle existierenden Telefone enthalten. Auch das stylischste Telefon muss telefonieren, sonst fällt es beim Kunden durch. Durch Befragung lassen sich die Leistungsmerkmale ermitteln, welche den Kunden einen Mehrwert verschaffen. Diese wünschen sich vielleicht ein längeres Kabel, weil das alte immer ein paar Zentimeter zu kurz war, um mit dem Hörer in der Hand bis zur Wohnungstür zu gelangen. Mit Hilfe der Basis- und Leistungsmerkmale erschaffen Sie aber nur ein inkrementell verbessertes Gerät.
Erfinden wir das Telefon also wirklich neu. Nötig sind dafür die Begeisterungsmerkmale. Diese findet man nicht, sondern erfindet sie. Hier wird Kreativität nötig. Anders als ein Künstler muss und darf ein Produktentwickler aber nichts ganz Abgehobenes erschaffen, dessen Benutzung ein Rätsel bleibt. Schon eine unerwartete, aber nützliche Kombination von bereits Dagewesenem lässt ein Produkt einen Innovationssprung nach vorne tun. Viele Kreativitätstechniken beruhen auf dem Prinzip, unerwartete und ungewöhnliche Kombinationen zu bilden wie die folgenden:

  • Die Reizwortmethode kombiniert die Aufgabenstellung „Erfinden Sie das Telefon neu“ mit beliebigen Reizworten, die Sie durch zufälliges Aufschlagen eines Wörterbuchs oder eines Baumarktkatalogs finden können. Telefon + Rose = rosenfarbenes Telefon? Rosenförmiges Telefon? Dufttelefon?
  • Bei der Analogietechnik (vgl. Michalko 2001) finden Sie Anregungen aus ähnlichen Gebieten. Das Telefon dient der Kommunikation. Dasselbe gilt für den Fernseher, ein Funkgerät und einen internetfähigen Computer? So erfinden Sie das Bildtelefons, Handy oder die Internettelefonie.
  • Der morphologische Kasten (vgl. Zwicky 1966) zerlegt das Telefon in seine Charakteristiken und kombiniert diese neu. Beispielsweise ist das Material Kunststoff. Wie wäre es mit einem Telefon aus Holz?
  • SCAMMPERR (vgl. Michalko 2001), eine checklistenbasierte Methode, stellt Fragen wie: „Lässt es sich noch vergrößern oder verkleinern?“ Ein deutlich kleineres Telefon kann man sich ins Ohr stecken und hat die Hände frei.
  • Bei der 635-Methode (vgl. Drews/Hillebrand 2007: 105ff) liefern die anderen Gruppenmitglieder die Reizwörter auf Zetteln, die in die Runde gereicht werden. Jede/r fügt noch drei Ideen hinzu.

Querdenken kann mit diesen Methoden wirklich jede/r!

Dr. Andrea Herrmann

Literatur:

Drews, G./Hillebrand, N. (2007): Lexikon der Projektmanagement-Methoden, Haufe-Lexware, München.
Kano, N. (1984) Attractive Quality and Must-be Quality, Journal of the Japanese Society for Quality Control, Heft 4, S. 39-48.
Michalko, M. (2001): Cracking Creativity: The Secrets of Creative Genius, Ten Speed Press, Berkeley.
Zwicky, F. (1966): Entdecken, Erfinden, Forschen im Morphologischen Weltbild, Droemer-Knaur, München.

Deutsche Akademie für Management_Mitarbeitende
Dr. Andrea Herrmann
Dr. habil. Andrea Herrmann (www.herrmann-ehrlich.de) ist freiberufliche Software-Engineering-Trainerin und -Forscherin sowie Dozentin an der Universität Heidel­berg, der Hochschule für Technik in Stuttgart und an weiteren Hochschulen. Insgesamt hat sie 20 Jahre Berufserfah­rung, davon zehn in Forschung und Lehre sowie acht in der IT-Branche, u. a. als Research and Innovation Manager. (Quelle: Impressum des Studienbriefs)
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