Die Corona-Pandemie und die Auswirkungen für Unternehmen sind gravierend. Unternehmen müssen mit bisher nicht gekannten Umsatzeinbußen umgehen und darauf reagieren. Dies betrifft in vielen Fällen auch die Belegschaft und damit die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch wenn es während der Corona-Pandemie rechtlich einfacher möglich ist betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, ist die Reduktion der Belegschaft immer mit Kosten verbunden. Diese sind während der Corona-Pandemie jedoch deutlich geringer. Nichtsdestotrotz müssen sich Unternehmen immer überlegen, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sie in Krisenzeiten „loswerden“ möchten und welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur kritischen Belegschaft gehören, die damit dringend zu halten sind. Für die finanzielle Situation und teilweise für die Existenz von Unternehmen ist dies relevant.
Ein Beispiel dafür, wie Unternehmen es nicht angehen sollten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „los zu werden“: „Wir wissen, dass Sie schon lange bei uns tätig sind, aber wir planen nicht mehr lange mit Ihnen.“ Dies ließ ein Vorgesetzter während eines Telefonats mit einer Mitarbeiterin eher beiläufig fallen. Die beabsichtigte Botschaft – wir wollen sie loswerden – kam allerdings an. Neben der Demotivation der Mitarbeiterin, die sich selbstverständlich auch auf die Arbeitsleistung auswirkt, hat dies noch weitere Probleme für das Unternehmen zur Folge. Die Mitarbeiterin hat in ihrem Arbeitsvertrag nachgelesen, welche Abfindung ihr nach der langen Beschäftigung im Unternehmen zustünde. „Wenn die mich loswerden wollen, dann werden sie das teuer bezahlen müssen; zudem habe ich eine Rechtsschutzversicherung – was der Vorgesetzte auch weiß. Die Abfindung werden sie bezahlen. Betriebsbedingt ist die Kündigung nicht, ich bin denen einfach nur zu teuer.“
Für das Unternehmen war dies nicht nur aufgrund der Auswirkungen auf die Arbeitsleistung der Mitarbeiterin eine schlechte Herangehensweise. Die Verantwortlichen hätten sich darüber, vor allem aber über die beste finanzielle Lösung, Gedanken machen sollen. Im schlimmsten Fall muss das Unternehmen mit einer schlechteren Arbeitsleistung rechnen, die Abfindung bezahlen und Zeit und Geld in eine rechtliche Auseinandersetzung investieren. Unternehmen müssen in Fällen der „Personalfreisetzung“ die Kosten unterschiedlicher Szenarien prognostizieren und unter Abwägung des Risikos das günstigste Szenario wählen. Die Kosten der Abfindung – mit denen das Arbeitsverhältnis beendet werden könnte – müssen mit den anderen entstehenden Kosten verglichen werden. Diese sind: das Gehalt der betreffenden Person im Verhältnis zur Abfindung, die vermutliche Länge der Rechtsstreitigkeit, die Kosten einer sinkenden Arbeitsleistung – die auch durch den potentiellen Ausfall der betreffenden Person beeinflusst werden kann –, die Auswirkungen auf andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kosten der Rechtsstreitigkeiten (die Gerichtskosten und weitere damit im Zusammenhang stehende Kosten (Anwalt, etc.) sowie die potentiellen Auswirkungen auf die Attraktivität als Arbeitgeber. Zusätzlich zu diesen Kosten ist eine Einschätzung des Scheiterns des rechtlichen Vorgehens vorzunehmen. Durch ein rechtliches Scheitern müsste das Unternehmen die vorgenannten Kosten und zusätzlich die Abfindung bezahlen. Die Entscheidung, welche Variante ein Unternehmen wählt, hängt auch von der Risikofreude ab. Eine allgemeingültige Entscheidungshilfe kann damit letztendlich nicht gegeben werden – vor allem wenn die Risikoeinschätzung schwierig einzustufen beziehungsweise der Ausgang der rechtlichen Auseinandersetzung schwer vorherzusehen ist.
Elmar Stein