So etwas gelingt Wortschöpfern nicht alle Tage. Mit der
„Organizational DNA“ („Unternehmens-DNA“) landeten Neilson und
Pasternack, Seniors einer renommierten Beratungsgesellschaft, 2006
einen semantischen Volltreffer. Ein weitreichendes Echo folgte. Die
Unternehmens-DNA hat sich im Wortschatz des Managements fest etabliert
– als Metapher für organisatorische Grundbausteine, Kernelemente der
Unternehmenskultur, für Strukturen also, die unternehmerische
Aktivitäten im Innersten zusammenhalten und als ursächlich für Erfolge
und Fehlentwicklungen gelten. Wer beansprucht, solche Strukturen
durchschauen und offenlegen zu können, will damit mehr als ein Buch
verkaufen. Das darauf fußende Beratungskonzept unterscheidet kranke
von gesunden Unternehmen und verspricht wirksame
Therapiemöglichkeiten.
Ein Elixier, das sich zugleich gegen
Warzen und Krämpfe empfiehlt, vorgibt Gicht zu heilen und ein ewiges
Leben verheißt, muss Probleme verbal bei der Wurzel packen. Metaphern
wie der Unternehmens-DNA gelingt dies mit einem einzigen Ausdruck. Der
Begriff ist ein Musterbeispiel für verkaufsträchtige Schlagworte.
Daher lohnt sich ein Blick auf die Rezeptur.
Eine DNA steht am
Anfang organischer Entwicklungen. Das macht sie grundlegend wichtig.
Doch ändern lässt sie sich eigentlich nicht. Wir tragen sie unser
ganzes Leben lang mit uns herum und akzeptieren die daraus gegebenen
Beschränkungen. Auf Unternehmen bezogen dürfte diese Vorstellung für
viele Manager schwer hinzunehmen sein. Das lässt aufhorchen. Wollen
diese doch verändern, gestalten und „Change“ herbeiführen.
Erfahrungsgemäß stoßen Manager dabei jedoch an Grenzen, die
unverschuldet, schicksalshaft wie genetische Determinierungen
daherkommen und Berater auf den Plan rufen, mit einer Gentherapie. Die
gezielte Veränderung genetischer Strukturen gilt als eine der großen
„Forschungsbaustellen“ des 21. Jahrhunderts, an die sich utopische
Vorstellungen knüpfen. Der Begriff weckt Phantasie und den
Machtinstinkt – das Gefühl am Ende alles kreativ gestalten zu
können.
Eine DNA setzt sich bildlich aus „Bausteinen“ zusammen.
Wissenschaftlich kann damit an der medizinischen Idee angesetzt
werden, Unternehmen seien lebende Organismen, als auch an der
Vorstellung vollends planbarer Architektur und präziser Chirurgie.
Wachstumsprozesse, organische Entwicklungen können so vorgezeichnet
und durch einen kontrollierbaren Eingriff sicher in die richtigen
Bahnen geleitet werden. Die Anzahl der Bausteine einer DNA bleibt mit
vier so überschaubar, dass jeder Manager das Grundgerüst zwar
gedanklich nachvollziehen kann, wirksame Eingriffe jedoch das Werk
erlesener Spezialisten voraussetzt. So schreit der Begriff nach
professioneller Beratung und ausgeklügelten Instrumenten. Eines davon
ist der Begriff selbst, der aufgrund seiner viralen Verbreitung im
Sprachgebrauch des Managements zugleich an ein Krankheitsphänomen
erinnert, an „virales Marketing“ also – womit wir bei der nächsten
genialen Wortschöpfung aus dem Managementbereich wären …
Literatur: Neilson, G.L. & Pasternack, B.A. (2006):
Erfolgsfaktor Unternehmens-DNA: Die vier Bausteine für effektive
Organisationen, Frankfurt am Main
Prof. Dr. Holger Petersen ist Autor des Studienbriefes 1400
Nachhaltigkeitsmanagement der DAM